Nutze die Triple-H-Methode, entwickle eine Prämisse, kombiniere Unverbundenes: Was ich 2020 mit der Meisterstunde gelernt habe 

Seit zwei Jahren frage ich auf dieser Seite erfahrene oder ausgezeichnete Menschen eines Faches nach den Lehren aus ihrer Arbeit. Hier die 30 auffälligsten, schönsten oder schlicht hilfreichsten Sentenzen aus den Gesprächen der vergangenen zwölf Monate. Alle Bilder machte Gerald von Foris.

1

Gerhard Haszprunar leitet die Zoologischen Staatssammlung in München

Nicht die Vorliebe für einen bestimmten Inhalt führt in den Traumberuf, sagt der Zoologe Gerhard Haszprunar, viel wichtiger ist der Blick auf die Arbeitsmethodik: »Spannend ist zum Beispiel in der Biologie alles. Die Entscheidung für ein Fachgebiet ergibt sich deshalb entlang methodischer Erwägungen: Wie möchte ich arbeiten? Bin ich ein Freilandindianer und will am liebsten ins Feld? Bin ich eine Labormaus? Bin ich Einzelkämpfer oder Teamplayer? Habe ich ein Gefühl für IT?«

2
Wer sich in konstruktiver Faulheit übt, gewinnt Zeit für wesentliche Ausgaben, sagt Gerhard Haszprunar:
»Ich mache nicht jede Arbeit selbst, sondern überlege, welche Arbeiten auch jemand weniger oder anders Qualifizierter erledigen kann. So bekomme ich freie Kapazitäten für das, was wirklich nur ich machen kann. Hier an der Zoologischen Staatssammlung war es etwa verbreitet, dass die Wissenschaftler selbst Staub wischten. Ein Unsinn!«

3
Wissen lässt sich mithilfe der Triple-H-Methode einfacher weitergeben, sagt Gerhard Haszprunar: »Sie müssen in der Wissensvermittlung zugleich Herz, Hirn und Hand ansprechen, nur dann vermittelt sich eine Fähigkeit umfassend. Fehlt die Empathie, also das Herz, bleiben Sie in der Vermittlung ein Theoretiker. Besonders schlimm ist es, wenn Sie nur Empathie und Handeln vermitteln, ohne das zugehörige Wissen. Und wenn Sie nur Hirn und Herz ansprechen? Dann wird das Wissen nicht umgesetzt. Egal also, welches der drei »H« Sie weglassen: Wenn Sie einen Gegenstand nur entlang von zwei dieser drei Komponenten vermitteln, bleibt etwas auf der Strecke.«

4

Till Hofmann leitet das Lustspielhaus und die Lach- und Schießgesellschaft

Chancen ergeben sich, du musst sie nur sehen, sagt der Kulturmanager Till Hofmann: »Ich suche keine Projekte, sie kommen auf mich zu. Es sind immer Möglichkeiten, die sich ergeben. Dann prüfe ich: Habe ich Lust?«

5

Rolf Steinmann in München

Detailkenntnis ist die Voraussetzung für Meisterschaft, sagt der Tier- und Naturfilmer Rolf Steinmann, der nach einer Finnlandreise sein Faible für den Naturfilm entdeckte und begann, Filme akribisch zu bewerten: »Ich kam nach meiner Rückkehr mit der Welt kaum klar, setzte mich vor den Fernseher und stillte mit Natur- und Tierfilmen meine Sehnsucht. Irgendwann begann ich Listen anzulegen, in denen ich jeden Film, jeden Kameramann, jeden Cutter bewertete. Ich vergab Noten auf die Qualität des Drehs oder des Schnittes. Es gab auch eine Spalte, in der ich vermerkte, ob das Stück auf Film oder mit digitalem Camcorder gedreht war. Ich liebte Film und konnte Camcorder-Filme nicht ausstehen.«

6
Die besten Naturfilmaufnahmen entstehen durch pure Disziplin, sagt Rolf Steinmann: »Als ich sah, dass die Antilopenmutter werfen wird, war es 11 Uhr mittags. Das Hitzeflimmern war irre stark. Plötzlich aber kam eine Wolke, zog vor die Sonne, verschattete die Szene und das Flimmern hörte fast komplett auf – bis das Kalb stand. Die Wolke ging weg, die Szene war im Kasten. Das erlebte ich in den zwei Monaten, die ich dort verbrachte kein zweites Mal, obwohl ich von vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang jeden Tag 16 Stunden lang aus meinen Tarnverstecken die Landschaft nach Tieren absuchte. Ohne jede Ablenkung. In dieser Zeit lese ich nicht, ich höre keine Musik, mache kein Nickerchen. Schließlich kommen die Antilopen aus dem Nichts vor dein Tarnversteck und sind genauso schnell wieder weg. Du kannst dir keine Pause erlauben und musst dich immer konzentrieren, wochenlang, jeden Tag.«

7

Innovation entsteht in der Not, sagt der Koch Vincent Klink: »Ich schreibe ein Buch über die Schwaben, über den Widerspruchsgeist und Erfindungsreichtum der Menschen, der aus dem harten Boden kommt: Hätten wir hier fruchtbare Erde gehabt, dann hätte es nie Not gegeben und niemand im Schwarzwald hätte beispielsweise eine Kuckucksuhr bauen und verkaufen müssen.«

8
»Gastronomie ist ein einfacher aber wichtiger Sozialkitt«, sagt Vincent Klink: »Jede Gesellschaft braucht eine Heimat außerhalb der Wohnungen und Häuser, damit die Menschen vom Fernsehgerät und dem Computer wegkommen und zu sich finden.«

9
Erfolg bemisst sich nicht in Preisen, sondern in Gefolgschaft, sagt Vincent Klink: »Mein Selbstwertgefühl entsteht durch die Gefolgschaft, die ich hier versammle, nicht durch die Preise, die ich gewinne. Was nützt Ihnen als Journalist ein Preis, wenn Sie keine Leserbriefe bekommen, in denen steht »Bitte weiter so«? Solche Reaktionen erhalten mir ein ganzes Berufsleben lang die Freude an der Arbeit. Durch den Austausch mit den Gästen entwickle ich mich weiter, weil ich Lob und Kritik wahrnehme und verarbeite.«

10
Neues entsteht aus der Kombination von vorher Unverbundenem, sagt Vincent Klink: »Vorgestern war ich in Baden-Baden zur Aufzeichnung meiner wöchentlichen Fernsehsendung. Im Studio laufe ich an einem Handwerker vorbei, der gerade lötet und sage »Hey, wenn ich löte, dann hebt der Löt-Beppel oft am Draht nicht. Weshalb?« Der Mann sagte »Dann hast du das falsche Lot: Du brauchst Lot, das Blei enthält.« Ich habe seit Jahren nicht gelötet, früher aber ist mir genau das immer wieder passiert: Der Lötzinn blieb nicht haften. Wenn ich dieses und andere Geheimnisse ergründe, erweitere ich den Wissenssumpf in meinem Kopf. Zwischen den Informationen in diesem Sumpf entstehen später neue Verbindungen, die zu nützlichen Ergebnissen führen können.«

11
In der zweiten Reihe lebt es sich beruflich besser, sagt Vincent Klink: »Ich bleibe in meiner Arbeit lieber in der zweiten Reihe und mache meine Sache gut – immer höher, immer weiter, das ist nicht meine Welt. Durch diese Haltung bleibe ich ein freier Mann und führe ein Leben ohne den Zwang, immer perfekt, immer herausragend sein zu müssen; nur so lassen sich nach meiner Meinung 50 Jahre Kochen unbeschadet überstehen.«

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Kinderbuchautorin Margit Auer schrieb »Die Schule der magischen Tiere«

Eine neue Geschichte muss zuallererst ihr selbst gefallen, sagt die Kinderbuchautorin Margit Auer: »Es geht nicht darum, dass sie andere begeistert, sie muss mich selbst begeistern. Wenn ich morgens meinen Laptop aufmache, muss ich Spaß haben an der Welt, die ich gleich betrete.«

13
Die Struktur des eigenen Arbeitens wird einem manchmal erst von Außenstehenden bewusst gemacht, sagt Margit Auer: »Ich selbst hätte die Ebenen meiner Geschichten zu Beginn meines Schreibens nicht erklären können. Es ist häufig so, dass erst die Menschen, die von außen auf eine Arbeit sehen die zugrunde liegenden Muster erkennen.«

14
Kreative Blockaden umgeht Margit Auer, indem sie unverdrossen weiterschreibt: »In den ersten Jahren meines Schaffens spazierte ich mehrmals um die Universitätsbibliothek, in der ich immer schreibe, wenn ich in einer Szene nicht weiterkam – und wusste danach noch immer nicht, wie es weitergehen könnte. Inzwischen öffne ich an der Stelle, an der es im Text hakt eine Klammer, schreibe rein, was dort ungefähr stehen soll, schließe die Klammer, springe anhand des Exposés ins übernächste Kapitel und schreibe dort weiter. Schreiben, schreiben, schreiben – das ist mein Vorgehen. Irgendwann kommt der passende Gedanke, irgendwann füllt sich die vorher entstandene Lücke. Ich darf nur im Schreiben nicht nachlassen und muss die Lösung auf diese Weise erzwingen. Ich halte mich nicht auf, ja. Denken Sie zum Beispiel nie, Sie bräuchten einen brillanten Einstieg! Der brillante Einstieg gelingt einem meist erst spät, wenn die ganze Geschichte steht.«

15

Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt von der Süddeutschen Zeitung

Wir können unsere Persönlichkeit bewusst verändern, sagt die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt: »Es bedeutet, dass ich raus kann aus dem Korsett, das mir Eltern, Partner und Arbeitgeber auferlegen. Ich kann mich entwickeln und dadurch mein Leid verringern. Hier liegt auch der Grund, warum ich meine Bücher schreibe. Ich will Hilfe aufzeigen und psychische Gesundheit fördern. Sätze wie »Ich bin eben so« oder »Mia san mia« sind aus meiner Sicht Schlachtrufe der Unflexibilität, des Verharrens in einem gewohnten, manchmal leidvollen Leben. Meine Botschaft lautet: Du kannst da raus. Das ist auch die Grundlage jeder Verhaltenstherapie: Wir können uns ändern.«

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Schon kleine Alltagsexperimente ebnen den Weg zu positiven Lebensveränderungen, sagt Christina Berndt: »Beginnen Sie mit kleinen, unsinnigen Dingen. Steigen Sie mit dem anderen Bein zuerst in die Hose. Rühren Sie den Kaffee in der entgegengesetzten Richtung. Füllen Sie das Kreuzworträtsel rückwärts aus. So geben Sie sich selbst das Signal: Ich kann anders, ich muss nicht in Routinen feststecken. Laut Studien helfen solche Experimente bei der Aktivierung des Lebens.«

17

Wenn alle über eine Idee lachen, muss man besonders gut hinhören, findet der Globenbauer Torsten Oestergaard: »Wenn ein Mitarbeiter in einer Besprechung etwas vorschlägt, das so abwegig klingt, dass die anderen instinktiv auflachen, weiß ich: Da steckt mehr dahinter. Nur eine Idee, die eine solche Reaktion auslösen kann, bringt uns weiter; nur ein Vorschlag außerhalb der Vorstellungskraft des potenziellen Kunden erzeugt ein solches Überraschungsmoment. So sind wir vor sechs Jahren auf den Audiolernstift gekommen, mit dem ich den Globus erkunden kann: Sobald ich einen Ort antippe, bekomme ich Texte vorgelesen oder kann Filme ansehen.«

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Landwirtin Linda Kelly auf ihrem Hof

In der Zusammenarbeit mit ihren Eltern auf dem heimischen Bauernhof spricht Landwirtin Linda Kelly immer vom »Wir« und nicht vom »Ich«, weil so sofort alle Anwesenden gemeint sind: »Wir wissen, dass auf einem Hof der eine ohne das Tun des anderen nicht sein kann. Das »Wir« ist in unserer Arbeit angelegt, auch wenn jeder seine Verantwortungsbereiche hat.«

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Beim Schauspiel kann es schädlich sein, zuviel vorzubereiten, sagt der Schauspieler Rainer Bock: »Ich kann nicht zuhause sitzen, mir eine Figur basteln, ans Set kommen und sagen »So, ich weiß wie die Figur geht, jetzt macht mal.« Wir sind Schau-Spieler. Es widerspricht dem Wesen des Spielens, zuviel vorzubereiten. Ähnlich im Fußball: Wenn ich versuche, durch Taktik und Datenanalyse alles vorauszuplanen, verschwinden die vielen wunderbaren, überraschenden Momente, an denen wir uns am meisten erfreuen. So ist es auch im Schauspiel. Das Beste entsteht aus dem Moment: Ein Kollege handelt, du gehst darauf ein, der Kollege erwidert, du bietest wieder etwas Neues an. Dieser Austausch, dieses Spiel ist das Schönste an dem Beruf.«

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Bleib in deiner Arbeit bei dir, rät Rainer Bock: »Es gab einen Schauspiellehrer, der mich unterrichtete, den ich mochte und mit dem ich lange eng befreundet war. Einer seiner Kernsätze war: Bleib bei dir. Das meint nicht: Zieh egoistisch durch, was du glaubst, sondern: Besinn dich auf dein Gefühl und begegne deinen Mitspielern und allen, die an deinem Projekt beteiligt sind, mit deiner Wachheit. Das war mir immer wichtig, den Satz habe ich nie vergessen, weil er auch bedeutet, Dinge infrage zu stellen. Wenn Sachen von dir verlangt werden, die du ums Verrecken nicht vertreten kannst, dann gib dem nicht nach. 
Dieses »Bleib bei dir« half mir auch im Zweifel. Selbstzweifel gehören nach meiner Erfahrung zum Beruf und ich fand mit diesem Satz aus meinen Zweifeln heraus.«

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Claus-Peter Reisch rettete Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer

Entscheidungen erleichtern das Leben und das Arbeiten, sagt der gelernte Heizungsbauer Claus-Peter Reisch, der mit der »Lifeline« Geflüchtete aus dem Mittelmeer rettete: »Keine Entscheidung treffen ist kein guter Weg. Treffen Sie lieber eine Entscheidung und kehren Sie um, wenn sie sich als falsch erweist. Das ist besser als keine Entscheidung zu treffen.«

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Die einstige Juniorengedächtnisweltmeisterin Christiane Stenger, fotografiert von Gerald von Foris

Wie wir uns eine Einkaufsliste leicht merken können, erklärt Gedächtnisweltmeisterin Christiane Stenger – sie benutzt dazu die Körperroute: »Wenn Sie Grapefruit einkaufen wollen, stellen Sie sich vor, wie Sie die Grapefruit auf ihrem Fuß balancieren. Mit den Gurken machen Sie Ihren Knien eine Gurkenmaske. Die Milch baumelt als Mini-Milch an Ihrem Hausschlüssel, der aus Ihrer Hosentasche ragt. Der Lauch massiert Ihnen den Rücken. So geht es immer weiter und so können Sie alle beliebigen Körperstellen bis zum Kopf mit einem Gegenstand Ihrer Liste verbinden.«

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Die Leidenschaft für eine Sache erkennt Christiane Stenger so: »Der Soziologe Hartmut Rosa würde Resonanz dazu sagen, Leidenschaft ist der vibrierende Draht zwischen dir und einer Sache. Sie ist ein neugieriges Gefühl, das entsteht, wenn ich mit etwas in Berührung komme, das mich reizt – der Moment, in dem ich mich lebendig fühle. Das ist vielleicht meine persönliche Beschreibung: Die Leidenschaft für eine Sache erkenne ich daran, dass sie mich lebendig macht.«

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Christian Plaß-Dülmer

Die Freude an einer Arbeit ergibt sich häufig aus einer interessanten Fragestellung, sagt der Atmosphärenphysiker und DWD-Observatoriumsleiter Christian Plaß-Dülmer: »Wenn Ihre Forschungsfrage für Sie reizvoll genug ist, bietet die Arbeit an dieser Frage mehr Spaß und eine höhere Intensität des Forschens. Und wenn Sie sich auf diese Weise für etwas interessieren, entwickeln Sie gute Ideen und Konzepte, die es vorher nicht gab. Das geht mir auch so: Ich muss einen emotionalen Widerhall der Forschung in mir spüren, damit ich neugierig werde und meine Arbeit intensiviere – bis sie zu neuen Ergebnissen führt.«

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Eine Nummer oder überhaupt ein Auftritt gewinnt an Intensität, wenn ein »Warum« dahinter steckt, sagt der Zauberer Marc Weide: »Beim Entwickeln einer neuen Zauberroutine ist die Prämisse wichtig. Warum zeige ich den Trick? Warum lasse ich die Kugel schweben? Warum zerreiße ich eine Zeitung, um sie danach wieder ganz zu machen? Mit welcher Intention gehe ich ans Werk? Es gibt genug Zauberer, die ein Seil zerschneiden und es wieder ganz machen. Das wird seit 300 Jahren gemacht und ich könnte das auch weitermachen. Allerdings möchte ich lieber Plots schaffen, Geschichten, denen die Leute gerne folgen. Zum Beispiel zeige ich in meinem Programm einen Trick rückwärts. Ich finde eine Spielkarte, ehe sie gezogen wurde. Das macht die Zuschauer neugierig: »Wie zum Teufel will er das anstellen?«

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Bundesumweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, fotografiert von Gerald von Foris

Moderieren bei einer politischen Verhandlung bedeutet, die sprechenden Personen herauszufordern und ins Gespräch zu bringen, sagt Bundesumweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, der am Zustandekommen des Klimavertrags von Paris beteiligt war: »Man darf eine Diskussion nicht einfach laufen lassen. Mein Kollege aus Gabun und ich haben bewusst nicht nur Sprecherlisten abgearbeitet, wir haben die Leute unterbrochen, sie herausgefordert. Also zum Beispiel gesagt: »Ich habe das nicht ganz verstanden, beschreib das doch bitte nochmal genauer.« Oder: »Die Grundhaltung von euch kennen wir, aber sag doch mal präzise, was das an dem Punkt bedeutet.« Und wir haben die Teilnehmer vor allem miteinander ins Gespräch gebracht, indem wir sagten »Aus einem anderen Land haben wir vorhin eine Position konträr zu eurer gehört. Könnt ihr mit eurem Argument nochmal auf diese Wortmeldung eingehen, so dass wir den Dissens gut verstehen?« Wir haben eine sehr aktive Moderationsrolle eingenommen.«

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Kompromisse entstehen, wenn sich die Verhandlungspartner wahrgenommen fühlen und eine gute Verhandlungsatmosphäre entsteht, so Jochen Flasbarth
: »Es ist wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle Lust haben, ein Ergebnis zu erzielen – auch wenn jeder unterschiedliche Ausgangspunkte und Interessen hat. Dann kann es gelingen, dass eine Gruppe über sich hinauswächst und mehr zustande bringt als die Summe der Einzelnen, weil alle noch einmal ihre Positionen überprüfen und über mögliche Kompromisse nachdenken.«

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Kenza Ait Si Abbou, fotografiert von Gerald von Foris

Probleme lassen sich einfacher lösen, wenn wir sie zerlegen, sagt Künstliche Intelligenz-Expertin Kenza Ait Si Abbou: »Ich sehe mir ein Problem aus mehreren Perspektiven an, analysiere es, zerlege es in kleine Teile und löse einen Teil nach dem anderen. Diese Vereinfachung der Komplexität, dieses analytische Denken und auch Beobachten gefiel mir im Studium am meisten. Es ist ein Mindset, das sich auf beliebige Momente im Leben anwenden lässt. Ich fühle mich seither selten hilflos, wenn ein Problem egal welcher Art auftaucht. Weil ich mich hinsetze, durchatme, beobachte, überlege, das Problem zerlege und damit lösbar mache. Wenn ich versuche, ein Problem in all seiner Komplexität zu lösen, funktioniert das meistens nicht.«

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Die Angst vor digitaler Technik verschwindet in dem Moment, in dem wir uns mit ihr auseinandersetzen, sagt Kenza Ait Si Abbou. Sie empfiehlt zum Beispiel, sich mithilfe der Kinderprogrammiersprache »Scratch« dem Coding zu nähern: »Ohne Kenntnisse über Programmierung denken wir oft »Uh, ich verstehe nichts davon, die Maschine hat die Macht und ich keine Kontrolle.« Das ändert sich schon während der ersten Übungen. Am Ende lernen wir: »Die Maschine macht nur, was ich ihr sage!« Wenn wir alle das verstehen, erlangen wir Macht zurück. Wir sind die Meister. Wir sagen der Maschine, was sie tun soll.«

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Der Imker Christian Maushart, fotografiert von Gerald von Foris

Der Vollkontakt zu einem Fachgebiet erlaubt die steilsten Lernkurven, sagt der Imker Christian Maushart: »Um kein Missverständnis zu erzeugen: Ich finde es gut, wenn Probe-Imker einen Schutz aufziehen. Sie sind es nicht gewohnt, häufiger gestochen zu werden, ihnen kann bei zu vielen Stichen übel werden, manche lassen vor Angst eine Wabe fallen. Hätten sie in solchen Situationen keinen Schutz, würden sie für immer jegliche Lust an den Bienen verlieren. Dennoch sollte ein Imker die Handschuhe relativ früh abnehmen – wegen der Feinfühligkeit. Nur dann bekommt er ein Gefühl für seine Handgriffe und dafür, was Bienen gut tut und wann sie sich bedroht fühlen.«

PERSÖNLICHER BONUS
»Nur der Verzicht verhindert, dass wir dauerhaft verlieren, was uns wichtig ist«, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Beginn der Corona-Pandemie in einer Ansprache. Die Worte fand ich so gut, dass ich das ganz Jahre 2020 hindurch immer wieder die Reden des Bundespräsidenten gelesen habe. Natürlich sind diese Texte verbindlich, offiziös, auch staatstragend. Müssen sie ja sein. Aber gerade in diesem schwierigen, pandemie-geschlagenen 2020 waren sie immer wieder orientierend, coachend, beinahe seelsorgerisch angehaucht. Deshalb habe ich hier die zwölf besten Sentenzen aus 30 Steinmeierschen Ansprachen und Reden versammelt. Sie reichen, finde ich, immer wieder weit über den Tag hinaus.