Der Zauberweltmeister Marc Weide über Bühnenpräsenz: »Es geht immer um das Warum der Präsentation, nicht so sehr um das Was«

Das magische Handwerk verlangt Fleiß, Geduld und ein dickes Fell: Ein Gespräch mit Marc Weide, der nach einer Begegnung mit David Copperfield zum Zauberkünstler wurde und seit 2018 als Weltmeister der »Salonmagie« amtiert. Hier redet er über die hohe Kunst der Ablenkung, das Einbetten von Tricks in schlüssige Geschichten und sein tägliches Training – erst am Vorabend unseres Gesprächs schlief Weide mit Karten in der Hand auf dem Hotelbett ein. Fotos: Gerald von Foris

Herr Weide, wie haben Sie die vergangenen Monate verbracht?
Ach, angespannt. Im März dachte ich noch: Schön, jetzt kann ich mal durchatmen, schließlich hatte ich vorher ein dichtes Arbeitspensum. Im April wurde ich aber schon ungeduldig. Nun kommen zwar wieder die ersten Auftritte, dennoch bleibt ein blödes Gefühl. Ich liebe es, mit dem Publikum zu kommunizieren, es in meine Vorstellung einzubinden. Durch die Hygieneauflagen wird dieser Teil zumindest verzerrt. 

An welchem Punkt Ihrer Arbeit befanden Sie sich vor dem Lockdown?
Von Januar bis März reiste ich mit meinem neuen Programm durchs Land, wir hatten viele Termine und spielten Shows mit über 400 Gästen. Nach einem letzten Auftritt im Boulevardtheater Dresden vor 500 Gästen war Mitte März Schluss. Schritt für Schritt geht es nun wieder aufwärts. (Anm.: Das Gespräch fand im September statt.)

Sie sind amtierender Weltmeister in »Salonmagie« und wurden 2018 vom »Magischen Zirkel« zum »Magier des Jahres« erkoren. Eine tolle Entwicklung, die ihren Anfang vor fast zwanzig Jahren in der Arena von Oberhausen nahm: Wie kam es dort zu der Begegnung mit dem Magier David Copperfield?
Meine Mutter und ich hatten Karten für Copperfield geschenkt bekommen, und ich dachte »Gut, Zauberer, meinetwegen«. Ich war allerdings erst elf Jahre alt und konnte auf unseren hinteren Plätzen so gut wie nichts sehen. Meine Mutter kämpfte so lange um einen anderen Platz, bis wir von Copperfields Team in die erste Reihe gesetzt wurden. 

Eine feine Geste.
So wurde ich sogar zum Teil der Show: Copperfield bat mich auf die Bühne, verschwand vor mir und tauchte woanders wieder auf. Ich war geplättet und verstand die Welt nicht mehr. Dieses Ereignis war derart eindrucksvoll, dass ich während der Heimfahrt im Auto zu meiner Mutter sagte: »Mama, also ich werde später auch Zauberer.« 

Marc Weide
Zauberweltmeister Marc Weide, fotografiert von Gerald von Foris. In der Tasche stecken übrigens Weides Utensilien.

In den meisten Fällen verschwindet ein solch schnell entflammtes Interesse. Was hielt Sie bei der Stange?
Ich hatte durchaus Interessen, die schnell verschwanden – zur Gitarre oder zum Klavier habe ich trotz Üben nie den richtigen Bezug gefunden. Bei der Zauberei hingegen war ich von Beginn an extrem verbissen. Ich wollte besser werden, ich wollte mich steigern, ich wollte das erreichen, was ich in Oberhausen auf der Bühne gesehen hatte! Ziemlich früh entwickelte ich eigene Präsentationen und Zauberroutinen. Es war genau mein Ding, ich bildete mich weiter, traf mich mit anderen Zauberern, las sehr viele Bücher – ich hatte mein Feuer gefunden. 

Eine schöne Beschreibung.
Es war ein riesiger Zufall: Ohne den Abend wäre ich nie zur Zauberei gekommen. 

Was genau ist damals auf der Bühne geschehen?
Copperfield bat mich, meinen Namen auf seinen Arm zu schreiben. Dann verschwand er plötzlich. Hinter mir begann auf einer Leinwand eine Live-Übertragung aus Hawaii, auf der Strand und Palmen zu sehen waren. David Copperfield erschien in dieser Szenerie und zog seinen Ärmel hoch, so dass das »Marc« zu erkennen war, das ich auf seinen Arm geschrieben hatte. Er winkte in die Kamera und sagte »Hallo Marc, hallo Oberhausen.« Es war unerklärlich für mich. 

Sie sagen, dass Sie viele Zauberbücher gelesen haben. Ist die Literatur dazu sehr reichhaltig?
Die Literatur ist riesig, das erste Buch wurde 1584 von Reginald Scot veröffentlicht. In jener Zeit glaubten die Menschen, Hexen könnten zaubern. Scots Buch »Discovery of Witchcraft« sollte aufklären und belegen, dass Hexen lediglich Tricks anwenden und nicht wirklich zaubern können. 

»Am Abend schlief ich sogar mit meinem Kartenspiel in der Hand ein. Es ist manisch, ich kenne keine Trennung von Job oder Privatleben, ich habe den ganzen Tag eine Münze oder eine Karte in der Hand.«

Welche Bücher haben Sie gelesen, um ins Zaubern zu finden?
Ich erinnere mich an eine Buchreihe über Salonzauberkunst, die ich gelesen habe. Es gibt aber auch Abhandlungen zur Psychologie der Zauberkunst – wie ich Leute ablenken kann, wie ich mit Körpersprache und verbalen Mitteln ihre Aufmerksamkeit steuere. Und natürlich gibt es viele Bücher über Zaubertricks mit Münzen, Karten und Alltagsgegenständen. 

In einer Ausstellung zur Geschichte der Magie fand ich diesen Satz: »Der Performer muss rhetorisch überzeugen, er muss witzig und unterhaltsam sein und seine Zuschauer mit unterschiedlichen Methoden ablenken.« Ist das richtig?
Das ist eine ziemlich gute Definition meiner Arbeit. 

Ein guter Zauberer kombiniert demnach sehr unterschiedliche Fähigkeiten.
Tatsächlich geht es nicht allein um den Trick, Zauberer müssen sich noch viel mehr draufschaffen. Ich arbeite zum Beispiel viel mit Musik, weil ich meine Tricks musikalisch untermale. Ich bin mein eigener Ingenieur, weil ich meine Zauberroutinen selbst erfinde und auch baue, wenn es sie so noch nicht gibt. Ich bin Autor, weil ich die Texte meiner Vorträge selbst schreibe. Zauberer bilden sich selbst in vielen Teilbereichen aus  – mit einem einfachen »Da ist eine Münze und jetzt ist sie weg« ist es nicht getan.  

Ich verstehe.
Als ich mit elf Jahren anfing, wollte ich natürlich nur ein Tuch verschwinden lassen, weil ich dachte, es käme allein auf den Trick an. Irgendwann aber spielte ich erste Shows und sah, wie die Menschen nach einem meiner Kommentare anfingen zu lachen. Es war ein schönes, bejahendes Lachen, das mich motivierte, und das ich häufiger hören wollte. In der Folge setzte ich mehr auf Comedy und erzählte immer häufiger persönliche Geschichten. Heute sind meine Abende eine Mischung aus Comedy und Zauberkunst.

In Ihrem Buch habe ich gelesen, wie besessen Sie sogar im Urlaub über Routinen nachdenken, also über Zaubertricks und deren Setting. Ist das noch so?
Gestern hatten mein Techniker und ich auftrittsfrei: Wir sprachen den ganzen Tag über das Programm – was wir besser machen können, was wir beim nächsten Abend anders machen, welche Musik wir ändern können, ob es einen Unterschied macht, ob ich den Trick weiter links auf der Bühne zeige statt weiter rechts. Am Abend schlief ich sogar mit meinem Kartenspiel in der Hand ein. Es ist manisch, ich kenne keine Trennung von Job oder Privatleben, ich habe den ganzen Tag eine Münze oder eine Karte in der Hand. 

Sie schreiben in Ihrem Buch »Weltmeister! Kann man davon leben???«, Sie hätten eigentlich immer etwas in der Hand, weil Sie so gerne testen, basteln, ausprobieren. Mögen Sie diese Komponente des Zauberns besonders: die Selbstwirksamkeit in der Arbeit mit den Händen?
Ja, und das Tolle ist, dass ich mein eigener Regisseur bin und selbst verfügen kann, was ich mache. Ich kann einen neuen Trick entwickeln, ihn auf der Bühne testen und verändern, und niemand kann mich daran hindern. 

Geben Sie mir ein Beispiel.
Mein aktuelles Programm heißt »Kann man davon leben?« Natürlich geht es dabei immer wieder um Geld und an einer Stelle lasse ich nach und nach 30 Münzen aus meinen Händen erscheinen. Dann erscheint ein Geldschein und schließlich ein Goldbarren, den ich auf einem Tisch ablege. Das alles klingt simpel, aber es stecken unheimlich viele Finessen hinter den Abläufen. Bis vor diesem Gespräch habe ich daran getüftelt, wie ich die Münzen noch magischer erscheinen lassen kann. Vielleicht im Takt der Musik, wenn in einem Lied eine bestimmte Klaviertaste angespielt wird? 

Was ist Ihnen beim Entwickeln einer neuen Zauberroutine wichtig?
Die Prämisse. Warum zeige ich den Trick? Warum lasse ich die Kugel schweben? Warum zerreiße ich eine Zeitung, um sie danach wieder ganz zu machen? Mit welcher Intention gehe ich ans Werk? Es gibt genug Zauberer, die ein Seil zerschneiden und es wieder ganz machen. Das wird seit 300 Jahren gemacht und ich könnte das auch weitermachen. Allerdings möchte ich lieber Plots schaffen, Geschichten, denen die Leute gerne folgen. Zum Beispiel zeige ich in meinem Programm einen Trick rückwärts. 

Das heißt?
Ich finde eine Spielkarte, ehe sie gezogen wurde. Das macht die Zuschauer neugierig: »Wie zum Teufel will er das anstellen?« Ich stelle eine Karte verkehrt herum auf dem Tisch ab – und lasse erst dann von einem Zuschauer eine Karte aus einem Stapel ziehen. Diese gezogene Karte verschwindet und erweist sich schließlich als jene, die von Beginn an auf dem Tisch stand.

Das klingt reizvoll.
Ich kann die Prämisse für eine Nummer aber auch an eine persönliche Erfahrung binden. Im aktuellen Programm erzähle ich die Geschichte von dem Veranstalter, der sich einen Witz erlaubte und eine Flasche »Weide-Milch« in meine Garderobe stellte. Ich verwende das alberne Wortspiel, greife im Vortrag nach einer Serviette und zaubere eine »Weide-Milch«-Flasche auf die Bühne. Schon folgt mir das Publikum viel lieber – weil ich eben nicht eine bedeutungsfreie Glitzerröhre hervorhole, sondern eine Flasche, deren Geschichte jeder kennt. 

Sie stellen Bezüge und Kontext her und koppeln die Zuschauer dadurch an Ihre Erzählung.
Über die Jahre hinweg habe ich verstanden, dass das Abholen des Publikums viel wichtiger ist als der Trick: Es geht immer um das Warum der Präsentation, nicht so sehr um das Was. Die Tatsache, dass ich einen Geldschein in eine Zitrone zaubern kann, ist erst der Ausgangspunkt meiner Vorführung. Wenn ich nach den Shows Autogramme schreibe oder mit den Gästen Fotos mache und nach ihrem Lieblingstrick frage, kommt ganz oft die Antwort: »Die Tricks waren auch gut, aber wir haben uns so super unterhalten gefühlt! Wir haben so viel gelacht.« 

Sie erinnern mich an ein Konzept des Unternehmensberaters Simon Sinek. Er sagt sinngemäß »Menschen kaufen nicht das, was Sie machen, sondern warum Sie es machen.«
Total, ja. 

Marc Weide
»Anders als früher bin ich mir heute meiner Arbeit bewusst. Die meisten meiner Tricks sind in einen Kontext gebettet und haben einen Grund.«

In einer Instagram Story zeigen Sie einen Kartentrick, bei dem Sie mit Edding vier Punkte auf eine Karte malen und diese dann verschieben. Immer kurz vorm Verschieben schnippen Sie mit dem Fingern. Ablenken ist zentral fürs Zaubern, oder?
Jein. Nicht jeder Trick beruht auf Ablenkung. Ich führe auch Kunststücke vor, bei denen das Publikum die ganze Zeit auf meine Hände starren kann – und wirklich nichts entdeckt, weil ich mit einer anderen Methoden arbeite. Trotzdem bin ich ein Riesenfan von Ablenkung.

Weil?
Weil die Menschen sich so schön ertappt fühlen. Ich weise vorher sogar darauf hin: »Nur dass ihr bescheid wisst, ich werde euch gleich ablenken und ihr werdet es nicht mitbekommen.« Jeder im Publikum spürt die Herausforderung und denkt »Mich kriegste nicht«, guckt dann aber in die falsche Richtung und schon ist es passiert. Die Leute ärgern und freuen sich zugleich, dass ich sie so austricksen kann, dass ich sie ertappe. 

Dabei spielen Ihnen nach meinem Wissen Besonderheiten unserer Psyche in die Hände: Wir nehmen die Welt selektiv wahr und können uns in jedem Moment nur auf eine bestimmte Sache fokussieren. Zugleich sind wir veränderungsblind: Wir erwarten stets, was wir kennen.
Das stimmt. Ich spiele auch super viel mit dieser Erwartungshaltung. Gerade nach meinem Gewinn der Zauberweltmeisterschaft erwarten die Leute mit mir einen Magier, der fliegende Elefanten in die Luft stellt, die dann in Flammen aufgehen, ehe sie sich zu Tauben verwandeln. 

Na gut …
Die Frage ist nun: Wie breche ich diese Erwartung? Indem ich tief staple. In einer meiner Nummern komme ich vor den Vorhang und sage »Ich zeige euch jetzt eines meiner besten Kunststücke: Die erscheinende Colaflasche. Seid ihr bereit?« Dann schauen alle gespannt und sehen, wie eine Magnet-Colaflasche von zehn Zentimetern Größe in meinen Händen erscheint. Das Publikum entspannt sich und denkt »Ah, das ist gut, das kann ich ja auch«. Doch in der Sekunde, in der alle locker werden, lasse ich eine 1,5 Liter-Cola-Flasche erscheinen. 

Okay.
Die sieht in dem Moment keiner mehr kommen, die ist wie ein Hammer ins Gesicht. Ich staple tief, erzeuge Entspannung und begeistere dann mit dem Unerwarteten. 

Als Sie vor zwei Jahren bei der Zauberweltmeisterschaft in Südkorea von der Bühne gingen, gab es nach Ihrem Auftritt Standing Ovations. Galt der Zuspruch Ihren Tricks oder Ihrer Art des Auftritts?
Einer Mischung aus beidem. Ich flog als Underdog zum Wettbewerb, die anderen Nummern waren sichtbar krass. Da ließen Kollegen zehn Tauben nacheinander erscheinen, die sich dann auch noch färbten, ehe am Schluss lebendige Schafe auf der Bühne erschienen. Ein anderer ließ ein Segelflugzeug auf der Bühne auftauchen, einer ein Auto. Zwischen diesen Vorstellungen trat dann ich auf die Bühne und das Publikum erwartete Ähnliches: einen Typen, der einen Monstertruck erscheinen lässt. Und was halte ich in der Hand? Einen Schuhkarton. 

Da sind wir bei der Tiefstapelei.
Ich sagte »Na, enttäuscht? Sorry, ich habe nicht die Kohle für ein Auto. Ich habe aber einen kleinen Trick mitgebracht.« Ich kam raus und kommunizierte erstmal mit dem Publikum, das sichtbar irritiert war. Nun ist meine Nummer so ausgelegt, dass sie sich steigert. Die ersten drei Minuten geschieht nix, dann kommt alles Schlag auf Schlag: Auf mein T-Shirt, das ich bei der Nummer trage, ist eine Spielkarte gedruckt. In der Hand halte ich diesselbe Karte. Alles, was ich mit der Karte auf der Hand mache, geschieht auch auf dem T-Shirt. Ich reiße eine Ecke ab und sie verschwindet auch auf dem Shirt. Plötzlich wird die Karte in meiner Hand wieder ganz – genauso die Karte auf meinem Shirt. Dann verschwindet mein Schuh und taucht in der Schuhbox wieder auf. Dann beginnt das T-Shirt zu qualmen! Es geschieht so viel, dass du kaum atmen kannst. Die Begeisterung kam aus meiner Sicht durch die Mischung zustande: Der Trick war neu, die Leute rechneten nicht mit so viel Action und ich agiere vergleichsweise nahbar: Ich nehme alles im Saal wahr, gehe darauf ein und bin wirklich anwesend. 

Sie zaubern seit 18 Jahren. Was ist Ihnen in dieser Zeit an Fähigkeiten zugewachsen?
Anders als früher bin ich mir heute meiner Arbeit bewusst. Die meisten meiner Tricks sind in einen Kontext gebettet und haben einen Grund. Allerdings habe ich inzwischen auch Nummern im Programm, die das Publikum einfach nur genießen soll, Zaubern als seelische Berieselung sozusagen. Die letzte Nummer meines Programms zum Beispiel ist so eine Berieselungsnummer. Sie ist die schwerste und ich muss sie jeden Tag proben. 

Was machen Sie?
Ich puste Seifenblasen, die sich mit Rauch füllen. Dann entstehen aus den Seifenblasen weiße Bälle. Dann manipuliere ich diese Bälle: Aus einem Ball werden vier Bälle, die nacheinander verschwinden, eher der letzte zu einem Konfettiregen zerplatzt. Das ist eine wunderschöne, emotionale Nummer, ein schöner Rausschmeisser. 

 »An dem Punkt ist meine Kunst verrückt: Ich übe oft drei Jahre einen Griff, den ich aber nie jemandem zeigen darf!« 

Johann Wolfgang von Goethe äußerte sich auch zur Zauberei und sagte mal »Zauberkästen sind ein herrliches Mittel zur Übung in freier Rede und Erlangung einiger körperlicher und geistiger Gewandtheit.« Das ist stimmig, oder?
Ja, das ist gut. 

Eine zeitlang betreuten Sie die Zauber-AG an einer Schule. Wie war das?
Das waren zweieinhalb großartige Jahre und ich vermisse die Arbeit sehr. Ich habe ja immer gerne von anderen gelernt und gar nicht gemerkt, wie ich nach und nach vom Schüler zum Lehrer wurde. Auf Instagram zum Beispiel schicken mir viele ihre Tricks und fragen um Rat. Ich antworte und versuche zu helfen. Es ist schön und irgendwie auch sehr befriedigend, mein Wissen an Zauberinteressierte weiterzugeben. An dem Punkt ist meine Kunst verrückt: Ich übe oft drei Jahre einen Griff, den ich aber nie jemandem zeigen darf! Niemand sieht mein Handwerk, weil niemand mitbekommen soll, wie etwas erscheint oder verschwindet. Deshalb ist es schön, diesen Vorhang für bestimmte Leute zu öffnen und die Trickprinzipien zu erklären, die meist viel komplizierter sind als erwartet. 

Sie erinnern mich an den Geigenbauer Michael Jaumann, mit dem ich hier gesprochen habe. Er begann irgendwann, die Phasen seiner Arbeit an den Instrumenten zu fotografieren. Die Kunden sind immer wieder erstaunt, wie aufwendig sein Schaffen ist.
An meiner Weltmeisterschaftsnummer habe ich insgesamt vier Jahre gearbeitet. Ich habe immer wieder neu probiert, ging mögliche Wege ab, verwarf Ideen und begann von vorne. Es gibt die schöne Anekdote von Pablo Picasso, der auf der Straße angeblich von einem Menschen gefragt wurde, ob er ihm ein Bild malen könne? Klar, sagte Picasso, malte drei Minuten lang und sagte beim Überreichen des Bildes »Das macht eine Million Euro«. Der Frager war erstaunt und verstand nicht so recht. Da sagte Picasso zur Begründung des hohen Preises: »Ich habe ja auch dreißig Jahre gebraucht, um zu lernen, wie ich dieses Bild in drei Minuten male.« 

Was würden Sie jemandem mitgeben, der sich auf die gleiche Reise begeben möchte, die Sie bisher gemacht haben?
Hab Geduld. Und ein dickes Fell.

Wozu das dicke Fell?
Als Teenager habe ich zum Beispiel in Restaurants oder auf Messen Tricks vorgeführt – während Leute sich gerade ihrem Essen widmeten oder bei Sekt zusammenstanden. Ich war gebucht, sie anzusprechen und zu fragen, ob ich einen Trick zeigen dürfe. Die Reaktionen waren nicht immer freundlich. »Bist du Harry Potter oder was?« oder »Sorry, wir haben gerade keinen Bock auf einen Zaubertrick, wir unterhalten uns«, lauteten die Antworten. Das trifft einen als Teenager enorm. Ich dachte oft »Okay, die mögen mich nicht«, lernte aber, mit Ablehnung umzugehen. 

Und das »Geduld haben« beziehen Sie vermutlich aufs Üben, oder?
Wenn ich anfange Klavier zu spielen, will ich natürlich sofort die Melodien aus »Die fabelhafte Welt der Amélie« spielen, muss aber erst »Bruder Jakob« lernen. Dasselbe gilt für die Zauberkunst: Karten halten, Münzen verschwinden lassen, all das zu lernen kostet Zeit und Geduld. Ich trainiere bis heute viele Stunden täglich. 

Geduld und dickes Fell also.
Anders geht es nicht.

Fotos: Gerald von Foris

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