Atmosphärenphysiker Christian Plaß-Dülmer über Forschung: »Erst eine reizvolle Fragestellung macht aus Ihrer Arbeit eine spannende Arbeit«

Er leitet das Observatorium des Deutschen Wetterdienstes am Hohenpeißenberg mit der ältesten Bergwetterwarte der Welt: Ein Gespräch mit Christian Plaß-Dülmer über die Klimakrise im Spiegel der Messwerte, Freude an der Selbstwirksamkeit und das Suchen nach der richtigen Forschungsfrage. Fotos: Gerald von Foris

Herr Plaß-Dülmer, zu Ihrem Observatorium gehört die älteste Bergwetterwarte der Welt – dabei misst der Hohenpeißenberg im Landkreis Weilheim-Schongau gerade mal 988 Meter Höhe über dem Meeresspiegel.
Alle Stationen über 750 Metern sind Bergwetterstationen und unter diesen ist unsere die Älteste. Ist Ihnen die Wallfahrtskirche gleich neben unserem Gelände aufgefallen? Dort in einem Anbau begannen die Messungen. 

Weshalb in der Kirche?
Im 18. Jahrhundert war die Wissenschaft noch eine Sache der Kirche – schließlich sollte niemand anderes sagen können, wie die Welt funktioniert. Dann kam die Säkularisation, die Bayerische Akademie der Wissenschaften formte sich und übernahm das Observatorium, bis es vor gut 70 Jahren zum Deutschen Wetterdienst kam. Das Besondere hier ist: Wir haben seit Gründung der Station nahezu durchgehende Messreihen. 

Anders als früher geht es hier heute nicht mehr nur um die Beobachtung des Wetters, oder?
Wir betreiben hier schon lange Ozon- und Wetterradarforschung, seit 1994 widmen wir uns auch Aerosol- und Spurengasmessungen. Der Mensch verändert die Zusammensetzung der Atmosphäre und dadurch Luftchemie, Klima und Wetter. Diese Veränderung erforschen wir und bauen nebenbei lange Zeitreihen auf. Die Ozonkonzentration zum Beispiel messen wir seit mehr als 50 Jahren. 

Wie messe ich die Ozonkonzentration in der Atmosphäre?
Wir haben hier verschiedene Methoden, eine davon arbeitet mit leistungsstarken Lasern, mit denen wir Laserpulse in die Atmosphäre schießen, die dort von den Molekülen und Teilchen zurückgestreut werden. Ein Spiegel von einem Meter Durchmesser fängt dieses Streulicht auf. Da wir verschiedene Wellenlängen von Licht hochschießen – die eine wird von Ozon absorbiert, die andere nicht – können wir aus der Differenz den Ozongehalt errechnen. 

»Der Ozonabbau in der Atmosphäre dauerte mehr als 30 Jahre, der Ozonaufbau wird bis zu dreimal so lange dauern«

Ich kenne die Diskussion um das größerwerdende Ozonloch und den Einfluss der FCKW, der Fluorchlorkohlenwasserstoffe, noch aus meiner Kindheit in den Achtzigern. Was geschieht, wenn zu viele Ozonmoleküle verschwinden?
Wenn das Ozon in der Atmosphäre abnimmt, kommt mehr ultraviolette Strahlung auf die Erde und schädigt unter anderem menschliche Zellen und verursacht Hautkrebs. 

Deshalb wurden Ende des vergangenen Jahrhunderts die FCKW verbannt.
Damals erkannte erst die wissenschaftliche, dann die politische Gemeinschaft, dass wir handeln müssen. Mit dem Montrealer Abkommen von 1987 wurde beschlossen, die FCKW-Produktion einzustellen – es ist bis heute eine der wenigen Erfolgsgeschichten, die wir im Bereich der Umweltforschung haben. 

Und wie ist beim Ozon gerade der Trend?
Das Minimum der Ozonschicht hatten wir vor 25 Jahren, seither gibt es Anzeichen der Erholung. Das Problem: Der Ozonabbau in der Atmosphäre dauerte mehr als 30 Jahre, der Ozonaufbau wird bis zu dreimal so lange dauern. Wir erwarten frühestens in den 2050er Jahren eine vollständige Erholung. 

Ich habe gelesen, dass Sie hier über 100 organische und menschgemachte Spurengase messen. Welche sind menschgemacht?
Alle Stoffe, die durch menschliche Aktivitäten freigesetzt werden, meist in Verbrennungs- und Industrieprozessen. Das geht bis zur Verdunstung von Lösemitteln, Alkoholen oder Putzmitteln – dort werden zum Beispiel Duftstoffe freigesetzt, die den unangenehmen Geruch des eigentlichen Wirkstoffs kaschieren. Die menschgemachten Spurengase kommen zu den natürlich Vorkommenden hinzu und verändern die Luftzusammensetzung.

Christian Plaß-Dülmer, Leiter des Observatoriums des Deutschen Wetterdienstes am Hohenpeißenberg, fotografiert von Gerald von Foris
Christian Plaß-Dülmer, Leiter des Observatoriums des Deutschen Wetterdienstes am Hohenpeißenberg, fotografiert von Gerald von Foris

Und welche Substanzen meinen Sie, wenn Sie von den natürlichen vorkommenden Stoffen sprechen?
Typischerweise meine ich dann Emissionen von Laub- und Nadelbäumen aus unserer Umgebung: Jeder Baum entlässt einen Fingerabdruck an organischen Molekülen in die Luft, meist Isopren und Monoterpene. Wir analysieren die  Vorkommen der menschgemachten und natürlichen Stoffe und sehen, welche Rolle sie in der Atmosphäre spielen: Wie stark sind diese Spurengase in einer verhältnismäßig abgelegenen Situation wie unserer präsent? Wie verändert sich ihr Vorkommen durch den Klimawandel? 

Entsteht denn mehr Isopren, wenn sich die Umgebung erhitzt?
Die Emissionen von Pflanzen steigen exponentiell mit der Temperatur. In unseren Messdaten sehen wir, dass eine Erhöhung der Temperatur um 2 Grad diese biogenen Emissonen um etwa 50 Prozent steigen lässt. 

Ist das problematisch?
Ja, weil die chemischen Prozesse in der Atmosphäre sich ändern. Mehr Isopren heißt zum Beispiel mehr Ozonbildung. Ein großer Teil des Isoprens und der anderen Spurengase wird in der Luft von OH-Molekülen zerlegt und in andere chemische Formen überführt, die aus der Atmosphäre zum Beispiel mit dem Regen ausgewaschen werden können. Ein nicht unerheblicher Teil endet aber im CO2 und bleibt in der Luft. 

Wie genau können die OH-Radikale Spurengase zerlegen?
OH-Radikale sind sehr reaktiv, wandeln Spurengase um und reinigen dadurch die Atmosphäre. OH-Radikale fungieren sozusagen als Müllabführ und besorgen 90 Prozent der atmosphärischen Reinigung. Der Reinigungsprozess ist nicht ganz unproblematisch, da er zum Beispiel das in hohen Konzentrationen toxische Kohlenstoffmonoxid entfernt, dabei aber das Klimagas CO2 bildet. Oder aus Schwefel- und Stickoxiden werden die entsprechenden Schwefel- und Salpetersäuren gebildet, die den Niederschlag versauern.

Verstehe. Spalten diese OH-Radikale denn auch CO2?
Leider nein, das CO2 ist zu inert, zu stabil, als dass es durch OH aufgeschlossen werden könnte.

Sie messen auch das Vorkommen von Stickoxiden, die in Städten vor allem durch Dieselverbrennung entstehen. Hatte der Lockdown einen Effekt auf die Emissionen in den Städten?
Schon. Aber es war wahnsinnig vertrackt, das zu messen: Die Meteorologie hat die Wirkung verschleiert. 

Wie meinen Sie?
Bei uns hier am Berg haben wir keinen Effekt des Lockdown gesehen. Aber wir waren uns sicher, dass in den Städten etwas zu erkennen sein müsste. Gemeinsam mit dem Umweltbundesamt gingen wir der Sache nach – und waren erstaunt. Wir hatten im vergangenen Winter starke Winde in ganz Mitteleuropa, die Städte wurden besser durchlüftet als in anderen Jahren. Deshalb standen wir vor Corona hinsichtlich der Konzentrationen auf niedrigen Niveaus. Dann kam der Lockdown und gleichzeitig eine Wetteränderung – und trotz geringeren Verkehrs sanken die Stickoxidkonzentrationen in den Städten nicht wesentlich. Voreilige Kritiker sagten gleich: »Seht ihr, trotz Lockdown haben wir diese Stickstoffdioxidkonzentrationen! Die Autos sind gar nicht schuld.« 

Ich erinnere mich an das Wetter: Ende März wurde es sehr frühlingshaft.
Genau, eine kontinentale Wetterlage machte sich breit. Wir analysierten die Messdaten der vergangenen fünf Jahre und sahen den Unterschied: Als wir den Durchlüftungseffekt durch die winterlichen Wind-Ereignisse herausrechneten, sahen wir schließlich doch einen Rückgang der städtischen Stickoxid-Konzentrationen durch den Lockdown von etwa 30 Prozent. 

»Alle Anstrengungen, die bislang von der internationalen Gemeinschaft gemacht wurden, die CO2-Emissionen zu reduzieren, sind nicht in einer Trendänderung erkennbar«

Wir treffen uns Anfang August 2020. Wie hoch ist gerade die CO2-Konzentration in der Luft am Hohenpeißenberg?
Heute sind es 407 ppm, das sind Parts per Million, also CO2-Moleküle je einer Million Luftmoleküle. Im Sommer messen wir niedrigere Konzentrationen, weil die Pflanzen mit ihrer Photosynthese viel CO2 in ihren Blättern verbauen. Im Herbst fällt das Laub zu Boden, zersetzt sich und entlässt das CO2 zum Teil wieder in die Luft. In der Folge steigt die Konzentration in der Luft im Winter. 

In vielen aktuellen Berichten werden CO2-Werte zitiert, wie sie im Observatorium auf dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii gemessen wurden. Weshalb?
Das Mauna Loa Observatory liegt auf 3500 Metern Höhe, mitten im Pazifik, es ist der Gipfel der Abgeschiedenheit. 

Eine Wolke am Hohenpeißenberg
Eine Wolke am Hohenpeißenberg

Was unterscheidet Ihre Daten von den hawaiianischen?
Wir sehen am Hohenpeißenberg einen stärkeren saisonalen Hub in den Daten: Unsere Werte liegen im Sommer minimal niedriger, im Winter minimal höher als am Mauna Loa, weil die Emissionen der Vegetation und der Menschen hier auf dem Kontinent stärker in die Messungen dringt als dort draußen im Pazifik. 

Wie messen Sie den CO2-Gehalt der Luft?
Im Meßgerät läuft in einer Glasröhre Laserlicht zwischen Spiegeln hin und her – einmal auf Wellenlängen, wo CO2 absorbiert, dann auf Wellenlängen, wo CO2 nicht absorbiert. Das Gerät misst in beiden Fällen, wie lange es dauert, bis die Intensität des Lichtsignals abnimmt. Die Differenz der Messungen ergibt den Gehalt an CO2 in Parts per Million. 

Sie arbeiten seit 25 Jahren hier am Observatorium, messen die CO2-Konzentration aber erst seit sieben Jahren, wohingegen das Umweltbundesamt den CO2-Wert schon seit Jahrzehnten in der Messstelle Schauinsland im Schwarzwald erfasst. Dennoch: Wie hat sich die Konzentration des CO2 in diesen sieben Jahren verändern?
Sie stieg jährlich im Mittel um 2,5 ppm.

Sie haben demnach das Überschreiten der 400er Schwelle mitbekommen.
Ja.

Bereitet Ihnen der Anstieg Sorge?
Natürlich. Alle Anstrengungen, die bislang von der internationalen Gemeinschaft gemacht wurden, die CO2-Emissionen zu reduzieren, sind nicht in einer Trendänderung erkennbar. Es geht weiter. Nicht einmal die Anstiegsrate zeigt eine Veränderung. Auch nach den dramatischen Lockdownmaßnahmen sehen wir keinen Effekt auf den CO2-Anstieg. Die Schlussfolgerung?

Wenn wir denken, der Lockdownverzicht sei schon viel gewesen, haben wir uns getäuscht …
Um die CO2-Emissionen nennenswert zu reduzieren, müssen wir noch deutlich weitergehen. 

Wo sollten wir beginnen?
Im Energiesektor, bei der Kohleverstromung. 

»Aber seit den Siebzigern beobachten wir einen Temperaturanstieg von 0,4 Grad je Dekade«

Müssen wir die Erhitzung der Welt noch besser verstehen?
Wir müssen nicht mehr verstehen, um handeln zu können. Jetzt geht es nur noch darum, die möglichen Beschleunigungseffekte der Klimaveränderung besser zu verstehen. 

In den meisten Berechnungen dazu, wieviel CO2 wir noch emittieren dürfen, ehe die Erde sich zu sehr erwärmt, wird inzwischen auf negative Emissionen verwiesen: Wir müssen ziemlich sicher wieder CO2 aus der Luft holen, um etwa das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Halten Sie das im großen Maßstab für realistisch?
Nein, oder nur mit sehr hohem Energie- und Kostenaufwand. Machen Sie ein Gedankenexperiment: Sie müssten dazu beispielsweise den Prozess der Braunkohlegewinnung rückgängig machen. 

Das heißt?
Sie pflanzen Wälder an, um sie nachher abzuholzen und in tiefe Löcher zu bringen und dort unter Luftabschluss, oder vorher mittels thermischer Umwandlung, einem Verkohlungsprozess zu unterziehen. Zugleich wird gerade in Australien die größte Kohlemine der Welt aufgebaut und soll signifikant Kohlenergie erzeugen. Sehen Sie die Kluft?

Ja.
Die Vorstellung, dass ich jetzt noch immer Kohle aus der Erde hole, die ich später unter großem Aufwand in Gruben reingeben muss, finde ich pervers. Da ist es doch logischer, die Alternativen Energien jetzt sofort auszubauen. So sinkt sofort das Volumen an Emissionen, das ich später womöglich einfangen muss. 

»Die Vegetationszonen verschieben sich, es wird Kipppunkte im Klimasystem geben, deren Folgen wir nicht absehen können«

Seit mehreren Jahren entstehen immer neue Temperaturrekorde. Sehen wir eine schlagartige Erwärmung?
Nein, das nicht. Aber seit den Siebzigern beobachten wir einen Temperaturanstieg von 0,4 Grad je Dekade. Das heißt: In den vergangenen 50 Jahren erlebten wir in der kontinentalen Lage am Hohenpeißenberg einen Temperaturanstieg von 2 Grad gegenüber der Anfangsphase der Beobachtungen nach 1781. 

Welche Temperatur hatte es damals im Mittel?
Damals wurde über ein Jahrzehnt hinweg ein Temperaturmittel von 6 Grad gemessen. Jetzt liegen wir bei 8 Grad. Der Anstieg beschleunigt sich nicht, ist aber konsistent mit dem Anstieg des CO2 in der Atmosphäre. Die Vegetationszonen verschieben sich, es wird Kipppunkte im Klimasystem geben, deren Folgen wir nicht absehen können.

Die sommerliche Meer-Eis-Ausdehnung in der Arktis war dieses Jahr klein wie nie, angeblich könnte das Grönland-Eisschild bereits verloren sein.
Durch den Klimawandel ist es 600fach wahrscheinlicher geworden, dass alles Eis der Welt schmilzt. Der Sommer in der Arktis beginnt früher, Eis schmilzt schneller, der dann dunkle Ozean absorbiert mehr Sonnenstrahlen und heizt sich auf, das System ändert sich.

Christian Plaß-Dülmer
Christian Plaß-Dülmer

Hier am Observatorium beobachten und forschen knapp 60 Menschen. Was ist Ihr persönliches Motiv, dieser Arbeit nachzugehen?
Es macht mir Spaß. Ich arbeite gerne wissenschaftlich und sehe eine Relevanz: Die Prozesse in der Umwelt sind relevant für das Klima, für die Gesundheit der Menschen. Es ist gut, in einem Bereich zu arbeiten, der eine Wirkung erzielen kann. Beim Ozon ist uns das mit dem Montrealer Abkommen gelungen. Die erwähnte Stickoxid-Studie nach dem Lockdown ist ein anderes Beispiel: Wir mussten die Zusammenhänge gründlich analysieren, damit nicht andere ohne Fachwissen falsche Fakten setzen. 

Sie studierten Physik. Wie fanden Sie in Ihr aktuelles Fachgebiet?
Ich kam aus der Halbleitertechnik und widmete mich für meine Promotion der Atmosphärenforschung. Das Fachgebiet war damals in dieser jungen Disziplin eher individualisiert: Ich musste mir einiges der Forschungsfragestellung und meine messtechnischen Ansätze selbst überlegen. 

Das heißt?
Forschen war damals, anders als heute, weniger Teamarbeit. Ich musste selbst klären, wie ich Daten gewinne und die besten Schlüsse ziehe. Meine Messanlagen baute ich auf der Polarstern auf, dem Forschungsschiff des Alfred-Wegener-Instituts für Meeres- und Polarforschung. Wir fuhren über den Atlantik, durch die stürmische Biskaya, durch den ruhigen Mittelatlantik und in die stürmischen südhemisphärischen Breiten. Ich nahm für mein Projekt Proben aus dem Seewasser und aus der Luft. Es war faszinierend, die eigene Forschungsarbeit während dieser Reise sozusagen schmecken und fühlen zu können.

Was haben Sie untersucht?
Es gab damals eine neue Arbeit zu sehr hohen Emissionen aus dem Ozean. Die wollte ich verifizieren. Ich hatte mir einen automatisierten Aufbau überlegt, den ich an Bord erst nach einer Woche zum Laufen brachte. Ich litt wie ein Hund, dann aber machte es »plopp« – und es funktionierte. Hinterher kam wieder ein Dämpfer: Die Ergebnisse waren wesentlich unspektakulärer als jene der Vorgängerarbeit, und sie zeigten eine deutlich geringere ozeanische Quelle. Aus Frust und Zweifel an den Ergebnissen sah ich mir alle Daten zum Thema nochmal genauer an. Ich investierte viel Zeit, bat Forschergruppen weltweit um zusätzliche Daten, bis ich ein umfassendes, globales Bild mit einem neuen Interpretationsansatz hatte. Plötzlich wurde ein Schuh aus den Daten, und aus meiner Einzelarbeit entstand ein Ergebnis mit höherer Repräsentativität. Ich war froh und stolz. Die Freude an der wissenschaftlichen Arbeit ist eng an solche Emotionen gekoppelt.

»Ich muss einen emotionalen Widerhall der Forschung in mir spüren, damit ich neugierig werde und meine Arbeit intensiviere – bis sie zu neuen Ergebnissen führt«

Was raten Sie Studierenden, die heute in Ihr Feld gehen?
Entwickle eine gute Fragestellung, mit der du zu Lösungen kommst. Und verliere nie das Gesamtbild aus den Augen: Deine Forschung ist ein Puzzleteil eines großen Ganzen. 

Wie genau meinen Sie das mit der »guten Fragestellung«?
Bei Auftragsforschung ist die Auseinandersetzung mit dem Thema nicht so intensiv wie wenn ich mir die Fragestellung selber entwickle … 

Das heißt?
Wenn Sie selbst die Forschungsfrage formulieren, können Sie selbst die Tiefe klären, in der Sie ein Thema bearbeiten. Sie müssen Ihre Fähigkeiten und Ihr Vorwissen mit der Frage abgleichen: Was finde ich spannend? Welchen Bereich kann ich am besten bearbeiten? Wo brauche ich Unterstützung? Wie vernetze ich mich? Wie messe ich gut? Wie interpretiere ich die Daten gut? Wenn Ihre Forschungsfrage für Sie reizvoll genug ist, bietet die Arbeit an dieser Frage mehr Spaß und eine höhere Intensität des Forschens. 

Interessant. Ich sage so einfach dahin, dass Christian Plaß-Dülmer sich »mit Spurengasen in der Atmosphäre« befasst – dabei geht es um mehr: Sie interessieren sich nicht allein für das Thema als solches, sondern immer wieder für die Fragestellung, die dann immer neu den Reiz des Arbeitens erzeugt.
Sie haben ja mit der »Meisterstunde« auch nicht eine beliebige Interviewreihe entwickelt, sondern sich ein bestimmtes Format ausgedacht, einen Blickwinkel eingenommen, der Sie interessiert. Erst eine reizvolle Fragestellung macht aus Ihrer Arbeit eine spannende Arbeit.

Eine spannende Beobachtung.
Und wenn Sie sich auf diese Weise für etwas interessieren, entwickeln Sie gute Ideen und Konzepte, die es vorher nicht gab. Das geht mir auch so: Ich muss einen emotionalen Widerhall der Forschung in mir spüren, damit ich neugierig werde und meine Arbeit intensiviere – bis sie zu neuen Ergebnissen führt. 

Fotos: Gerald von Foris

Das Meteorologische Observatorium des Deutschen Wetterdienstes am Hohenpeißenberg.