Es ist eine scheußliche Charakterschwäche, wenn man meint, alles selbst machen zu müssen: Was ich von Christoph Keller gelernt habe
Auf dieser Webseite frage ich die Besten eines Faches nach ihrem Wissen und ihrer Weisheit. Aber auch viele Kollegen spüren hilfreiche Lehren über gelingende Arbeit auf. Zum Beispiel Harald Willenbrock von brand eins.
Es gibt Gespräche, die verfolgen einen, weil sie so erhellend sind. Dieses Interview von Harald Willenbrock mit dem monkey 47-Gründer Christoph Keller ist ein solches. Der Wahl-Schwarzwälder eroberte mit seinem Gin „monkey 47“ und mit seinen High End-Schnäpsen die besten Bars der Welt – und hörte dann auf. Weil alles zuviel wurde, weil ihn der Erfolg überrollte. Das Gespräch ist auf so vielen Ebenen interessant, weil es das Streben nach Erfolg und Ruhm in ein neues Licht stellt: Nichts ist umsonst, alles ist bezahlt, alle guten Dinge sind mit Energie erworben.
F: Der wirtschaftliche Erfolg war also gar nicht geplant?
A: Wir sind da tatsächlich reingestolpert. Erst haben wir unsere Schnäpse nur verschenkt, dann wollten sie immer mehr Leute kaufen. Also mussten wir Flaschen bestellen, Etiketten entwerfen und ein Gewerbe anmelden. Weil unser Platz bald nicht mehr ausreichte, mieteten wir ein Lager an. Um die Ware zwischen Mühle und Lager transportieren zu können, brauchten wir einen Lieferwagen, der wiederum finanziert werden musste. So ging es in einem fort. Maschinen, Mitarbeiter, Investitionen. Wir hatten nie einen Plan, sondern haben einfach das gemacht, was anstand. Bis wir eines Tages merkten, dass wir nur noch Sklaven unseres Erfolgs sind.
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F: Warum haben Sie Ihr Unternehmen nicht einfach in einer überschaubaren Betriebsgröße gehalten?
A: Es war einfach nie der Zeitpunkt zu sagen: Wir haben’s geschafft. Mit jedem Schritt, den man macht, wachsen Verantwortung und Erwartungen. Expansion ist daher immer Pflicht.
F: Angenommen, Sie könnten bei der Stählemühle noch einmal neu anfangen: Was würden Sie anders machen?
A: Ich glaube, mit dem Perfektionismus, der Neugier und dem Ehrgeiz, der mir zu eigen ist, könnte ich gar nicht viel anders machen. Mehr Leichtigkeit hätte mir sicher gutgetan, aber die liegt mir nicht. Unterm Strich musste es kommen, wie es gekommen ist.
F: Was ist so schwierig daran, Nein zu sagen?
A: Als sich Dallmayr, Manufactum, Käfer, die gesamte Spitzengastronomie und einige der besten Hotels der Welt bei uns meldeten, weil sie uns listen wollten: Hätte ich da Nein sagen sollen? Ein anderes Beispiel: Gestern rief mich jemand aus Pforzheim an und bot mir 200 Kilo einer Birnensorte an, von der ich noch nie gehört hatte. Da sage ich natürlich auch nicht Nein.
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F: Das Ziel für Ihr eigenes Unternehmen, die Stählemühle, beschrieben Sie vor Jahren mal so: „Klein bleiben und trotzdem leben.“
A: Das ist grandios gescheitert. Faktisch haben wir bei der Stählemühle jedes Jahr 30 bis 60 Prozent beim Umsatz zugelegt. Das hätte ich aber nur verhindern können, wenn ich zu Dingen, die ich supergern machen wollte, Nein gesagt hätte. Mir blieb also nur die Wahl zwischen dem Verrat an meiner Utopie und dem Verrat an mir selbst.
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F: Wovor haben Sie Angst?
A: Vor meiner Eitelkeit. Vor der Frage, was von mir bleibt, wenn ich nichts mehr tue. Wer bin ich eigentlich, wenn das wegfällt, was mich die vergangenen zwölf Jahre definiert hat? Welche Antwort gebe ich auf die Frage nach meinem Beruf? „Ich bin der, der gerade aufhört“ ist keine gute. Aber es kann im Leben doch nicht immer nur um Wertschöpfung gehen. Dass wir uns zu 99 Prozent über unseren Job definieren: Was für eine schwachsinnige Idee von Leben.