Die Winzer Sandra und Horst Sauer über Präzision: Je kleinteiliger wir die Arbeit angehen, desto schöner wird der Wein 

Sie wurden vom Gault Millau zu den Winzern des Jahres 2018 gekürt, Experten geben ihren Weißweinen 100 von 100 möglichen Punkten: Ein Gespräch mit Horst Sauer und seiner Tochter Sandra über ihre tägliche Nähe zur Produktion, den Effekt der Ertragsreduzierung und Unruhe im Angesicht der Perfektion. Fotos: Gerald von Foris

Horst Sauer (steigt gemeinsam mit Tochter Sandra ins Auto und fährt vom Hof des Weingutes im fränkischen Escherndorf in den angrenzenden Weinberg): Hier ist gleich der „Lump“, eine der besten Weinbau-Lagen in Franken. 

Wie kommt das?
Horst Sauer: Escherndorf liegt an der Volkacher Mainschleife in einem Halbkessel. Das ist eine fast einzigartige geografische Situation in Franken: Normalerweise fließt die Warmluft vom Berg ins Tal, hier aber hält sich die Wärme und lässt die kalte Luft nicht rein. Der Lump ist dadurch eine der energiegeladensten Lagen in Franken, zudem extrem steil und sehr tiefgründig. Der Fels beginnt erst nach zwei bis drei Metern.

Wie viele Hektar bewirtschaften Sie?
Horst Sauer: Bis 1977 lieferte mein Vater die Trauben von seinen drei Hektar an die Winzereigenossenschaft, dann machte ich mich zusammen mit meiner Frau selbstständig. Seither sind wir ständig gewachsen, haben dazugekauft und gepachtet. Wir bewirtschaften inzwischen 20 Hektar auf 125 Parzellen.

War es denn immer so einfach, zuzukaufen?
Sandra Sauer: Vor zwanzig Jahren bekam man kaum einen Quadratmeter, heute sehen wir einen Strukturwandel: Viele möchten nicht mehr im Nebenerwerb abends nach der Arbeit in die Weinberge gehen. 

Gab es einen Punkt, beziehungsweise einen Flächenumfang, von dem an Sie wussten: So geht es, so ernähren wir zwei Familien?
Horst Sauer: Wir hatten immer viel Nachfrage und immer zu wenig Wein und Fläche.

Was hatten Sie richtig gemacht?
Horst Sauer: Als der fränkische Wein in der Krise war, fingen wir an, anders zu denken.  

Das heißt?
Horst Sauer: Wenn ich Anfang der Neunziger mit meinen Weinen unterwegs war, hörte ich: ,Der kann doch nicht aus Franken kommen!’ Fränkische Weine galten zu jener Zeit als sehr erdig, häufig stand bei der Produktion die Menge im Vordergrund. Wir fingen dann an, selektiv zu lesen und den Ertrag zu reduzieren. Das war ein wichtiger Schritt, der unsere Entwicklung beschleunigte.

Sandra Sauer: Die Ertragsreduzierung durch das Abschneiden von Trauben oder auch das Entblättern gab es in dem Sinne vorher nicht. Ich weiß noch, wie schlimm es mein Opa fand, als wir in den Neunzigern mit der „Grünlese“ begannen –  er hatte bis dahin beim Ernten den Eimer immer dort abgestellt, wo er gerade las, sodass wirklich kein gefallenes Beerchen verloren ging.

Wein braucht Plan, das Wetter aber ist planlos. Wir versuchen uns deshalb in kleinen Schritten immer neu mit der Natur und dem Wetter auseinanderzusetzen.

Wie viele Trauben entfernen Sie bei der Grünlese?
Sandra Sauer: An einem Trieb sollten je nach Stockabstand höchstens zwölf Trauben hängen. 

Sandra und Horst Sauer stellen den Wagen ab und gehen auf dem Feldweg den Weinberg entlang. 

Um es richtig zu verstehen: Welchen Effekt erzeugt die Reduzierung des Ertrags?
Sandra Sauer: So wandern mehr Mineralstoffe und auch Zucker in die übrigen Trauben, die dann besser schmecken. 

Horst Sauer: Momentan haben wir Juli und wünschen uns 12 bis 15 Trauben am Stock. Den Rest nehmen wir weg. 

Sandra Sauer: Sie sehen den Unterschied: Er spricht von 12 bis 15, ich von 10 bis 12. (lacht)

Sie wünschen sich demnach etwas mehr Wein im Keller?
Horst Sauer: Du kannst ja nicht vor Schönheit sterben und immer weiter Trauben wegmachen. Dann ist zwar die Qualität genial, eine Flasche aber kostet 100 Euro. 

Das wäre ein tüchtiger Preis.
Horst Sauer: Entscheidend ist der Plan, den ich für den Wein habe: Soll er kräftig schmecken? Lieber leicht? Die geplante Wirkung eines Weines kann ich unter anderem über den Ertrag steuern. (Überlegt) In einem Glas Wein stecken unglaublich viele Gedanken. 

Welche?
Horst Sauer (deutet auf eine Parzelle): Hier gehen wir gerade an einem Silvaner vorbei, der nicht von uns ist. Der Winzer hat auf der einen Seite die Blätter entfernt und meiner Meinung nach zu viel weggenommen. Wenn das Wetter so bedeckt bleibt, wie es heute ist, mag das genial sein. Wenn aber wieder mehr Sonne an die Trauben kommt, werden die Deckblätter fehlen – zu viel UV-Licht an den Trauben sorgt dafür, dass sich das Aroma ins rauchig-speckige entwickelt. Das wäre nicht unsere Stilistik. Wir lassen die Blätter derzeit außen an den Trauben stehen, wie einen Sonnenschirm. Innen lassen wir hingegen Luft ran, um Pilzbefall nach Regen vorzubeugen. 

Ich kann mir vorstellen, dass Sie Woche für Woche neu diskutieren, ob und wie sie im Weinberg auf das Wetter reagieren.
Horst Sauer: Wein braucht Plan, das Wetter aber ist planlos. Wir versuchen uns deshalb in kleinen Schritten immer neu mit der Natur und dem Wetter auseinanderzusetzen. Deshalb nehmen wir nur vorsichtig Blätter weg, rankleben kann ich sie ja nicht mehr. 

Sandra Sauer: Im Moment deutet vieles darauf hin, dass das Jahr 2019 wie 2018 sein wird – trocken und heiß. 2018 haben wir bewässert und das Gras zwischen den Stöcken umgebrochen, sodass keine Wasserkonkurrenz zur Rebe entstand. Wir haben nur innen entlaubt. Sollte es in vier Wochen Dauerregen geben, ziehen wir das Vorgehen aus dem Jahr 2017 heran – das war ein nasses, feuchtes Jahr, vor allem während der Lese. Wichtig ist, dass wir schnell umschalten können. 2017 ließen wir die Begrünung stehen, sodass nicht zu viel Wasser in die Reben ging und die Trauben nicht zu groß wurden. 

Horst Sauer: Eine Traube besteht zu circa 80 Prozent aus Wasser. Regnet es viel, steigt der Anteil an und die Mineralstoffe verwässern. 

Frau Sauer, Ihr Vater sprach vorhin die Stilistik Ihrer Weine an. Sie sind für den sogenannten Ausbau der Weine im Keller verantwortlich – wie würden Sie Ihre Stilistik beschreiben?
Sandra Sauer: Wir bevorzugen eine klare, feine Fruchtaromatik, der Rebsorte entsprechend. Uns ist es auch wichtig, die Säure im Wein zu erhalten. 

Wie steuern Sie zum Beispiel den Säureanteil oder auch den Alkoholgehalt?
Horst Sauer: Wenn ich mehr Säure oder einen geringeren Alkoholgehalt oder grüne Aromen will, lese ich früher; will ich einen höheren Alkoholgehalt und gelbe Aromen, lese ich später. Viel Sonne zum Beispiel erzeugt einen saftig gelben, aprikotfarbenen Wein. 

Sandra Sauer: Unsere Herausforderung ist es, die verschiedenen Parameter zusammenzusetzen, das Süße-Säure-Spiel mit der Aromatik zu verknüpfen. Unser Wein soll derart Spaß machen, dass ich immer noch Lust auf ein zweites Glas habe. (Sandra Sauer bleibt stehen) Hier, unser Bacchus. Der trägt von Natur aus viel Fruchtaroma in sich und ich will, dass es nicht zu laut wird, zu schreiend. Der Wein soll filigran bleiben, mit einer feinen Holunderaromatik. Deshalb lasse ich lieber mehr Blätter dran.

Horst Sauer: Ein Weinberg soll um die Nährstoffe kämpfen, darf aber auch nicht leiden. Unsere Aufgabe ist es, diese Balance zu halten.

Die Winzer Sandra und Horst Sauer aus Escherndorf, fotografiert von Gerald von Foris
Die Winzer Sandra und Horst Sauer aus Escherndorf, fotografiert von Gerald von Foris

Herr Sauer, Sie machten sich in den Siebzigern selbstständig. Welche Rolle spielte Ihr Vater beim Umbau des Gutes?
Horst Sauer: Mein Vater zeigte mir viel im Weinberg, das Wissen zur Kellerwirtschaft aber musste ich mir selbst erarbeiten. 

Was haben Sie von ihm gelernt?
Horst Sauer: Ich bin meinem Vater extrem dankbar, dass er mir gelehrt hat zu arbeiten und niemals aufzugeben – niemals rumjammern, niemals sagen „Oh Gott, heute ist das Wetter schlecht.“ Das hilft ja nicht, das Wetter ist wie es ist. Er hat mir gelehrt, mich nicht zu schonen. 

An welcher Stelle?
Horst Sauer: Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus dem Sport, weil ich früher viel Fußball gespielt habe. Er sagte immer: Auch wenn es nicht so läuft – ich will mindestens sehen, dass dein Trikot nass ist. 

Nur wenn es heißt „Das wurde schon immer so gemacht“ sollte ich anfangen, zu diskutieren. Und das habe ich gemacht.

Frau Sauer, Sie haben Ihren Großvater auch bei der Arbeit erlebt, oder?
Sandra Sauer: 22 Jahre lang, wir standen gemeinsam im Weinberg. Bei ihm, überhaupt in der ganzen Familie ging nichts über den Sport und den Fußball. Selbst am Nachmittag meiner Kommunion wurde Fußball gespielt – zur Kaffeezeit waren alle auf dem Sportplatz. 

Horst Sauer: Escherndorf hatte damals 350 Einwohner und der Sport war das A und O in der Ortschaft. Wenn ich zum Fußball gehen durfte und mein Vater eine Weinprobe machen musste, war er nicht besonders begeistert – das Reden über Wein war nicht so sein Ding.

Sandra Sauer: Opa hat die Weine im Keller auch nicht selbst ausgebaut, so wie ich das heute mache. Ich baue sie selbst aus und vermarkte sie – da komme ich, anders als früher, ums Reden gar nicht mehr herum.

Horst Sauer: Wissen Sie, in den Siebzigern kamen die Kunden auf den Hof, probierten ein bisschen was, legten den Kofferraum voll und fuhren. Heute hat der Kunde schon andere Weine im Auto, ehe er zu uns kommt. Aber das ist gut so. Die Vermarktung muss sich verändern, der Wein muss sich verändern, wir müssen uns verändern. 

Und ehrlich gesagt mag ich das Gefühl, dass wir uns immer weiter verändern, dass wir nie ankommen. Wer denkt, er sei angekommen, hat schon verloren.

Frau Sauer, wie haben Sie nach Ihrem Weinbaustudium in den Betrieb gefunden?
Sandra Sauer: In den beiden ersten Jahren habe ich einfach nur geschaut, was gemacht wird. 

Aber Sie kannten sich doch aus, oder?
Sandra Sauer: Natürlich kannte ich alles. Trotzdem finde ich es ganz schwierig, wenn junge Menschen in den Betrieb kommen, der von den Eltern geführt wird, und sofort alles ändern wollen. Selbst wenn ich mit der Weinqualität nicht zufrieden bin, sollte ich mir in Ruhe noch mal alle Schritte anschauen und mir erklären lassen, weshalb sie gemacht werden, wie sie gemacht werden. Dahinter steht immer ein Grund. Nur wenn es heißt „Das wurde schon immer so gemacht“ sollte ich anfangen, zu diskutieren. Und das habe ich gemacht. Wir haben schließlich die Aufgaben geteilt: Im Weinberg macht heute nach wie vor Papa die Ansagen, während ich für den Keller verantwortlich bin.

Was haben Sie im Gärkeller verändert?
Sandra Sauer: Statt weniger großer Gärtanks haben wir nun 62 kleine, sodass ich Parzellen getrennt lesen und ausbauen kann. Wir sind inzwischen von dem etwas fetteren Weintyp und der intensiveren Fruchtaromatik – gern mit etwas mehr Restsüße – ins Elegantere und Feinere gegangen, mit weniger Restsüße.

War das in Ihrem Sinn, Herr Sauer?
Horst Sauer: Die Veränderung zu den eher grünlichen Weinen mit mehr Biss musste sein, weil sich der Geschmack der Kunden veränderte. Und ehrlich gesagt mag ich das Gefühl, dass wir uns immer weiter verändern, dass wir nie ankommen. Wer denkt, er sei angekommen, hat schon verloren.

Der Betrieb wurde inzwischen vielfach ausgezeichnet. Gibt es so viel, das Sie noch verbessern können?
Horst Sauer: Heute Morgen zum Beispiel hatten wir einen druckluftbetriebenen Entlauber im Einsatz, der überzählige Blätter wegpustet. Das Ergebnis sah erst genial aus, dann sahen wir, dass ein paar Beeren beschädigt waren. Wir justierten nach – wie viel Luftdruck ist gut, wie weit können wir an die Laubwand rücken, wie hoch können wir gehen? Inzwischen haben wir die Einstellungen auf den Punkt gebracht und es wäre wichtig, das zu dokumentieren, sonst fangen wir nächstes Jahr von vorne an. Solche Kleinigkeiten treiben mich um. Ich dachte, mit dem Alter würde ich geduldiger, aber ich werde ungeduldiger. Wir haben so viele Parameter im Blick, die jeder für sich weiter präzisiert werden könnten. (Überlegt) Im Endeffekt soll guter Stoff ins Glas, und wenn wir hier pennen, schmeckt er halt nicht so. 

Sie sind streng mit sich.
Horst Sauer: Nehmen wir zwischen Frühjahr und Lese 100 Arbeitsschritte an. Wenn ich bei jedem Schritt fünf Prozent schlechter bin, als ich es sein könnte, summieren sich meine Fehler und ich bekomme nicht das Ergebnis, das ich mir wünsche. Wein plaudert alles aus. Wenn ich beim Trinken denke „Hätte ich nur …“ ist es zu spät. Dann dauert es ein Jahr, ehe ich die nächste Chance bekomme. Heute Morgen zum Beispiel habe ich meine Mitarbeiter beobachtet, die Blätter von den Reben zupfen sollten. Eine Person war nicht so schnell, weil sie immer nur mit einer Hand zupfte. Damit sie der Gruppe folgen konnte, musste sie Blätter hängen lassen. Diese Beobachtung treibt mich um. Soll ich was sagen? Oder ist es vielleicht unerheblich? Oder ist es doch ausschlaggebend? 

Ein Mitarbeiter sagte mir mal ,Herr Sauer, Sie sind ganz schön schwierig.’ Ich fragte ,Warum?’ und er antwortete ,Weil Sie so genau sind.’ – Wir haben eine hohe Körperspannung, eine Wachheit, die Mitarbeiter manchmal nerven kann.

Teilen Sie diese Ruhelosigkeit, Frau Sauer?
Sandra Sauer: Ich teile nicht die Ruhelosigkeit, sondern den Anspruch. Wenn ich in einen solchen Betrieb einsteige, habe ich nur zwei Möglichkeiten: Ich kann den Ehrgeiz meines Vaters teilen – oder nicht. Wenn ich an unsere Weinberge denke und nicht das gleiche Bild vor Augen habe wie er, ergibt es keinen Sinn. Dann bekommen die Mitarbeiter von ihm was anderes gesagt als von mir. Das funktioniert nicht.

Fällt es Ihnen leicht, eigene Ideen durchzusetzen?
Sandra Sauer: Aus meiner Sicht fällt es einer Tochter leichter, mit dem Vater zu arbeiten. Männer möchten sich gerne im Wein verwirklichen, das Bedürfnis habe ich so ausgeprägt nicht. Dennoch weiß ich, wie ich bekomme, was ich will. Wenn ich eine Sache unbedingt durchsetzen will, spreche ich vorher drei Dinge an, die mir nicht so wichtig sind, um als viertes mein mir wichtiges Thema zu setzen. Irgendwann muss er „ja“ sagen. 

Herr Sauer, war es Ihr Wunsch, Winzer des Jahres zu werden?
Horst Sauer: Ja, ich wollte einmal Winzer des Jahres werden. Das wollte ich. Jetzt brauchen wir neue Ziele. 

Was geben Ihnen die Auszeichnungen?
Horst Sauer: Sie spornen an, sie geben Energie. Sie sagen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Sie bestätigen uns im Ringen um Präzision, das ja auch immer wieder hinterfragt wird. 

Der Preis ist also eine Rechtfertigung Ihrer Akribie?
Horst Sauer: Ein Mitarbeiter sagte mir mal ,Herr Sauer, Sie sind ganz schön schwierig.’ Ich fragte ,Warum?’ und er antwortete ,Weil Sie so genau sind.’ Das habe ich nicht verstanden. Es ist doch klar, dass allein die Präzision meines Handwerks die Qualität entscheidet. Es gibt im Weinbau kein Geheimnis, alles Wissen liegt auf dem Tisch. Unsere Arbeit besteht allein darin, das Beste aus der Natur zu machen. 

Stress entsteht, wenn ich nicht weiß, wofür oder wohin ich arbeite, Freude kann entstehen, wenn ich sehe, dass die viele Arbeit richtig eingesetzt ist.

In welchen Momenten fühlen Sie sich wohl?
Horst Sauer: Ich mag es, wenn die viele Arbeit keinen Stress erzeugt, sondern Freude bereitet. Es gibt einen Unterschied zwischen ,viel Arbeit’ und ,Stress’: Stress entsteht, wenn ich nicht weiß, wofür oder wohin ich arbeite, Freude kann entstehen, wenn ich sehe, dass die viele Arbeit richtig eingesetzt ist. (Denkt nach) Ich liebe es, wenn der Betrieb wie eine Schweizer Uhr läuft.

Sie haben demnach Freude am Funktionieren.
Horst Sauer: Allerdings darf uns dieses Funktionieren nicht beruhigen! Am meisten treibt es mich um, wenn es verdammt gut läuft, weil ich dann Angst habe, wir könnten uns ausruhen.

Frau Sauer, wie ist es mit Ihrem Vater, wenn etwas nicht funktioniert?
Sandra Sauer: Sie haben keine Vorstellung. Wenn die Trauben nicht gut aussehen, herrscht Weltuntergangsstimmung. 

Horst Sauer: Allerdings justieren wir schnell nach, wenn es regnet und die Trauben faulen könnten. 2011, als der Regen kam und die Trauben platzten, zupften wir schnell alle Blätter weg, das brachte was. (Überlegt) Wir sind extrem selbstkritisch und sehr hinterher, dass alles funktioniert. Wir haben eine hohe Körperspannung, eine Wachheit, die Mitarbeiter manchmal nerven kann.

Sie haben vorhin von den vielen Arbeitsschritten gesprochen, die das Jahr teilen. Kann es sein, dass Sie Ihre Arbeit bewusst in diese vielen kleinen Abschnitte teilen, weil sich auf diese Weise mehr Ansätze zur Verbesserung ergeben?
Horst Sauer: Das ist womöglich der entscheidende Satz über unser Weingut: Wir sind gedanklich und auch in Wirklichkeit so nah am Weinberg, dass wir gar nicht anders können, als die Arbeit in vielen einzelnen Etappen wahrzunehmen. Je kleinteiliger wir unser Werk wahrnehmen und angehen, desto schöner wird der Wein.

Die tägliche Präsenz im Weinberg ist demnach Teil Ihres Erfolges?
Horst Sauer: Ja. Das gilt aber nicht nur im Weinberg. Wir sind inzwischen auch an den Wochenenden extrem viel unterwegs. Die Menschen wollen sehen, wer die Weine macht. 

Das klingt anstrengend.
Sandra Sauer: Wir sind so sehr an den Standort gebunden, da macht es ehrlich gesagt Spaß, immer wieder rauszukommen. 

Herr Sauer, wann haben Sie zuletzt vor Zufriedenheit tief durchgeschnauft?
Horst Sauer: Ich war kürzlich einen Tag in einem anderen Weinanbaugebiet in verschiedenen Weingütern unterwegs – bei der Gelegenheit bekommt man einen guten Blick auf die Arbeit der Kollegen. Ich kam nach Hause und war mit uns allen zufrieden – hab’s aber keinem gesagt. 

Nein?
Horst Sauer: Nur zur Sandra habe ich gesagt, dass wir hier extrem gut aufgestellt sind. 

Warum nur Sandra?
Horst Sauer: Damit die Spannung erhalten bleibt. 

Hier die Onlinepräsenz des Weingutes Horst Sauer.

Fotos: Gerald von Foris