Der Philosoph Wilhelm Schmid über die Kunst des Lebens: Sinn ist wichtiger als Glück – und er ist auch da, wenn wir unglücklich sind

Seine philosophisch geprägten Bücher zu »Gelassenheit« oder »Selbstfreundschaft« standen viele Monate in den Bestsellerlisten: Ein Gespräch mit Wilhelm Schmid über seinen Weg vom Schriftsetzer zum Philosophieprofessor, die menschliche Suche nach Orientierung und seine Zeit als philosophischer Seelsorger an einem Schweizer Krankenhaus. Fotos: Gerald von Foris

Herr Schmid, Sie sind Philosoph und lehrten an der Universität, ehe Sie zum Bestsellerautor wurden. Wie kam es zu der Neuausrichtung?
Als ich 1997 mit meiner »Grundlegung zu einer Philosophie der Lebenskunst« an der Universität Erfurt habilitiert hatte, wollte ich bestallter Professor werden, erkannte aber, dass ich mit meinen 44 Jahren zu spät dran war. 

Was meinen Sie damit?
Nach der Mittleren Reife absolvierte ich auf Wunsch meiner Mutter in Augsburg eine Lehre als Schriftsetzer – sie hatte beobachtet, dass ich viel lese und schreibe und meinte, ich solle das Metier von der Pike auf lernen. Dann kam schnell das erste Kind, ich heiratete meine erste Frau und musste Geld verdienen. Ich verpflichtete mich für vier Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr, merkte aber schnell: Du vergeudest dein Talent. Also holte ich das Abitur nach und studierte. Entsprechend alt war ich nach meiner Habilitation – der Staat sucht für seine Professuren jüngere Leute. 

Haben Sie sich dann bewusst dafür entschieden, Autor zu werden?
Ich bekam Entscheidungshilfe. Zu jener Zeit wurde meine Habilitationsschrift bei Suhrkamp publiziert. Sie verkaufte sich ungewöhnlicherweise mehr als 15.000 Mal. 

Das ist viel.
Für eine philosophische Arbeit war das ein Bestseller. Es kamen Einladungen zu Vorträgen und es zeichnete sich ab, dass ich davon leben kann. Meine Frau ermutigte mich, weiterzumachen und meine Bemühungen um eine Professur einzustellen. Ich blieb zwar noch als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt mit einem Bein in der Lehre, war ansonsten aber frei tätig. 

Es war mein persönliches existenzielles Bedürfnis, leben zu lernen.

Fiel Ihnen die Abkehr von der Hochschule schwer?
Es war eine große Umstellung. Ich hatte zu jener Zeit vier Kinder und bekam aus meinen Lehraufträgen jeden Monat zuverlässig Geld. Entsprechend beschäftigte mich, wie ich künftig den Unterhalt verdiene. Im Jahr 2000 erschien dann mein Buch »Schönes Leben? Einführung in die Lebenskunst«, von dem ich 50.000 Exemplare verkaufte. So wurde klar: Darauf kann ich setzen. 

Sie hatten mit Ihren Gedanken zur Art und Weise des richtigen Lebens einen Nerv getroffen.
Allerdings hatte ich nie drüber nachgedacht, ob das Publikum etwas mit der Frage nach der Lebenskunst anfangen kann. Es war vielmehr mein persönliches existenzielles Bedürfnis, leben zu lernen, meine Berufung. 

Inwiefern?
Ich wuchs in den Fünfzigerjahren auf dem Land in Bayern auf und komme aus einer Welt, die mich mit nichts auf die Herausforderung der Moderne vorbereitete – auf fluktuierende Beziehungen und Arbeitsverhältnisse, auf wenige feststehende Parameter. Ich hatte den Eindruck, erst leben lernen zu müssen und traute der Philosophie zu, mich über das Leben belehren zu können. So wurde die antike Philosophie der Schwerpunkt meines Studiums, weil sie diesem Bedürfnis nach Orientierung mehr entgegenkommt als die gegenwärtige Philosophie. Irgendwann dachte ich: Wenn die Frage nach der Lebenskunst in der antiken Philosophie eine solche Rolle spielte, warum nicht auch heute? Eines Tages, nach einem Kneipenabend während meines Studiums in Tübingen wurde mir klar: Ich werde an einer Neubegründung der Philosophie der Lebenskunst arbeiten. 

Es scheint mir so zu sein, dass alles im Leben polar aufgebaut ist. Es gibt nicht nur Freude, es gibt auch Ärger. Es gibt nicht nur Lust, es gibt auch Schmerz.

Verknüpften sich diese Gedanken sofort mit einem bestimmten Berufsbild?
Nein, mit den Jahren kristallisierte sich lediglich heraus, dass es ein Publikum gibt, das sich dieselben Fragen stellt, wie ich sie habe: Wie kann ich in dieser Welt leben? Wie kann ich leben lernen? Philosophen durchdenken diese Fragen und entwickeln Antwortvorschläge. Allerdings, das lernte ich schnell, muss es einen Unterschied zwischen der antiken Philosophie und der heutigen Herangehensweise geben: Ich kann nicht wie einst ein Seneca sagen, wie das Leben zu sein hat, wie du zu leben hast, wenn du wahrhaftig leben möchtest. Ich kann nur sagen: Es scheint mir so zu sein, dass alles im Leben polar aufgebaut ist. Es gibt nicht nur Freude, es gibt auch Ärger. Es gibt nicht nur Lust, es gibt auch Schmerz. Es gibt nicht nur Erfolg, es gibt auch Misserfolg … 

Das ist ein zentraler Aspekt Ihrer Idee der Lebenskunst. Welche Erkenntnis bringt diese Beobachtung zur Polarität des Lebens mit sich?
Es gibt keine Norm, wie mit dieser Polarität umzugehen ist. Aber es gibt Möglichkeiten eines guten Umgangs, auf die ein Philosoph hinweisen kann. 

Sie haben die Idee von der Philosophie der Lebenskunst erst theoretisch erarbeitet und dann praktisch angewendet: Über zehn Jahre hinweg arbeiteten Sie immer wieder an einer Schweizer Klinik als philosophischer Seelsorger, im persönlichen Gespräch mit Patienten, Pflegern, Ärzten. Geben Sie mir doch ein Beispiel für einen typischen Dialog aus jener Zeit.
Nehmen wir an, Sie sind Patient, wir setzen uns zusammen und Sie beschreiben mir das Gefühl, dass alle Menschen glücklich sind, Sie selbst aber nicht. Sie können einfach nicht glücklich sein. Dann frage ich: Was ist denn Glück? Steht das fest?
– Ja, sagen Sie dann vielleicht, Glück ist, wenn alles gut geht, wenn das Haus abbezahlt ist, wenn der Job nicht gefährdet ist.
Aha, sage ich dann: Gibt es denn ein Leben, in dem alles gut geht?
– Ja, sagen Sie: Überall!
Aber waren Sie schon überall und haben hinter die Vorhänge geguckt? Ich selbst zum Beispiel hatte viele Gespräche und habe hinter viele Vorhänge geschaut, in keinem einzigen Leben gibt es das totale Glück. Für eine Zeit, ja, für ein Wochenende, ja. Aber länger? Die Frage ist: Geht es überhaupt um Glück und nicht vielmehr um Sinn?
– Wo ist da der Unterschied, fragen Sie.
Haben Sie Kinder?
– Ja.
Sind Sie 365 Tage glücklich über diese Kinder?
– Nein, sagen Sie, die nerven auch.
Warum werfen Sie die nicht raus?
– Komische Frage.
Ich kann Ihnen sagen, warum Sie das nicht tun: Weil Sie Sinn in diesen Kindern sehen. Sinn ist wichtiger als Glück und er ist auch da, wenn Sie unglücklich sind. Das ist ein Gedankengang, der Menschen regelmäßig überzeugt. Sie entdecken ihn auch, wenn Sie über Beziehungen nachdenken. Sind Sie in Ihrer Beziehung permanent glücklich? Nein, denn es kommt Ärger vor. Was liegt also näher als zu sagen: Zu einer Beziehung kann Ärger und Glück gehören. Und warum gehe ich nicht, wenn mich der andere nervt? Weil ich Sinn darin sehe, mit ihm zusammen zu sein. Das ist ein weiterer Hinweis dazu, dass Sinn wichtiger als Glück ist.

In dem Buch »Das Leben verstehen«, das nach der Zeit im Krankenhaus entstand, schreiben Sie immer wieder über Sinn und dass er dort entsteht, wo Beziehungen und Zusammenhänge entstehen: Wer Verbindungen lebt oder erkennt, erlebt ein Gefühl von Sinn. Sind die Menschen überrascht, dass die Antwort darauf, was Sinn ausmacht, vergleichsweise einfach zu geben ist?
Ja, und die Menschen sind überhaupt froh, wenn etwas überschaubar wird. Komplexität trägt jeder selbst genug in sich. Die Menschen möchten Atem schöpfen und wieder daran glauben können, dass leben eigentlich nicht so schwierig ist. Außerdem sollten sie, finde ich, nicht darunter leiden, wenn nicht permanent alles gut geht. Leben geschieht in der Spanne zwischen positiv und negativ.

Der Philosoph Wilhelm Schmid, fotografiert von Gerald von Foris
Der Philosoph Wilhelm Schmid, fotografiert von Gerald von Foris

Was war Ihre Absicht in der Arbeit als philosophischer Seelsorger?
Ich wollte mit den Menschen im Krankenhaus über Fragen des Lebens nachdenken und zeigen, welche Antworten die Philosophie bereithält. In gewisser Weise war es der Praxistest meiner theoretischen Überlegungen zur Lebenskunst. Im Rahmen meiner Habilitation überlegte ich zum Beispiel theoretisch, was Gewohnheiten bedeuten. Ich nahm an, dass sie unverzichtbar sind, weil sie dem Leben am leichtesten einen Rahmen geben … 

Wer Gewohnheiten und Automatismen in seinem Leben installiert, gewinnt Freiheiten, weil nicht immer jeder Schritt eigens durchdacht und entschieden werden muss.
Ja, so ist es. Dann war ich im Krankenhaus, zu dem auch ein Seniorenheim gehörte. Die Altenpfleger sagten, dass sie Probleme mit den Gewohnheiten der Bewohner hätten: Sie stimmten nicht mit den Erfordernissen des Betriebes überein. Ein Herr musste zum Beispiel immer bei seinen Spaziergängen begleitet werden und schlug stur einen anderen Weg ein, als ihn seine Begleiter gehen wollten. Wir gründeten eine Arbeitsgruppe und die Pflegerinnen und Pfleger entdeckten, welche Bedeutung Gewohnheiten für die Menschen haben: Sie brauchen feste Abläufe, weil sie sonst nichts mehr haben. Mir scheint es gar eine Faustformel für Gewohnheiten zu geben, die eng mit dem Alter zusammenhängt: Mit 30 Jahren nehmen Gewohnheiten 30 Prozent des Lebens ein, mit 70 Jahren sind es schon 70 Prozent. Wenn sie Gewohnheiten keinen Raum lassen, entwurzeln sie die Menschen. Ich riet den Pflegern, die Gewohnheiten ihrer Bewohner nach Möglichkeit zu lassen oder gar zu unterstützen. Das haben sie gemacht und fuhren damit wesentlich besser. Die Umwege des eigensinnigen Herren zum Beispiel wurden hingenommen, dafür haben sie die Begleiter mit dienstlichen Besorgungen verknüpft. 

Meine Machttheorie stimmte nicht – ich kann Macht nicht verstehen, wenn ich sie zentralisiert sehe.

Sie erörterten also die tiefere Bedeutung eines Problems und weckten auf diese Weise Verständnis oder handelten Kompromisse aus.
Ja, allerdings funktionierte das nicht immer. In anderen Fällen kam ich mit einer Theorie in die Klinik und ging durch die praktische Erfahrung mit einer anderen. 

Was meinen Sie?
Ich dachte etwa stets, ich wüsste, wie Macht funktioniert. Ich ging von einem Zentrum aus, von dem die Macht nach allen Seiten ausstrahlt. In der Klinik aber sagte mir der Chefarzt: Der Einzige, der hier in diesem Klinikum keine Macht habe, sei er selbst. Ich begleitete ihn und stellte fest: Es stimmt. Er war der Getriebene, weil permanent alle mit Verve ihre Interessen verfolgen. Er reagierte nur und agierte selten. Zugleich kam Druck von Außen: Es gab einen Aufsichtsrat der Trägergemeinden des Spitals, der Ziele und Zahlen diktierte. Ich kam ernsthaft zu dem Schluss: Dieser Arzt ist das größte arme Schwein. Meine Machttheorie stimmte nicht, ich kann Macht nicht verstehen, wenn ich sie zentralisiert sehe. 

Gilt das nur im Krankenhaus?
Nein. Nehmen wir zum Beispiel an, Sie sind Familienvater. Haben Sie dann Macht über die Kinder oder Ihre Frau? Oder reagieren Sie in Wahrheit nur auf die verschiedenen Interessen und moderieren das Geschehen, damit Sonntag vielleicht doch noch ein gemeinsamer Ausflug zustande kommt? Und mit welchen Mitteln geschieht das? Mit Kompromissen, mit Kuhhandeln, mit Nachsicht. Macht ist etwas Kompliziertes und es soll keiner glauben, dass die Machtverhältnisse in einer Familie wesentlich verschieden sind zu denen in einer Klinik oder gar einer Bundesregierung.

Wie hat sich diese veränderte Sicht auf Macht in Ihrer Krankenhaus-Arbeit ausgewirkt?
Wir haben uns mit dieser Beobachtung die Machtbeziehungen im Haus genauer angeschaut. Wir regten Menschen, die überzeugt waren, keine Macht zu haben, dazu an, sich bewusst zu werden, dass sie sehr wohl eine haben – und dass sie diese Macht in einer Weise ausüben, wie sie nicht gut ist. Unbewusste Machtausübung ist die fatalste, weil sie Zusammenarbeit und Weiterentwicklung blockiert.

Im Idealfall geht der Mensch nach einer Stunde frohgemut von dannen, weil sich für ihn etwas geklärt hat – ohne dass ich ihm gesagt habe, was zu tun ist.

In der Klinik gab es auch einen kirchlichen Seelsorger. Fiel es Ihnen schwer, sich von ihm abzugrenzen?
Die Überschneidungen zur Theologie liegen auf der Hand, aber auch die Grenzen: Wer zu mir kam, wollte durchaus gerne etwas über Gott hören, erwartete aber nicht, dass ich die Haltung der Theologie vertreten würde. Irritiert waren die Kollegen lediglich darüber, dass ich mich Seelsorger nannte. 

Eine Zuschreibung, die doch aus der theologischen Arbeit kommt, oder?
Eben nicht! Während einer Gastdozentur in Georgien entdeckte ich, dass die Kirchenväter dort den antiken Begriff der Seelsorge, des »Sich sich zu sorgen um die Seele«, wie es Sokrates nannte, eins zu eins aufnahmen und für ihre Zwecke christianisierten. Die Seelsorger heute betreiben philosophische Seelsorge, ohne zu wissen, dass sie philosophisch war. Seelsorge bedeutet, dass ich für ein Gespräch da bin, für das, was auf der Seele liegt. Ich kann in diesem Gespräch vielleicht keine definitive Antwort zu einem Anliegen geben, kann es aber ernstnehmen und anbieten, gemeinsam darüber nachzudenken. Im Idealfall geht der Mensch nach einer Stunde frohgemut von dannen, weil sich für ihn etwas geklärt hat – ohne dass ich ihm gesagt habe, was zu tun ist. 

Das Zuhören ist demnach die eigentliche Hilfe.
Entscheidend ist, dass sich jemand für den Menschen interessiert und seine Aufmerksamkeit auf ihn richtet, erkennbar und ehrlich. Das tut den Menschen außerordentlich wohl, weil es das bisweilen nicht mal mehr zu Hause gibt. 

Wie finden Sie in seelsorgerische Gespräche hinein? Fällt es schwer?
Mit wenigen Ausnahmen wollen alle über ihr Leben sprechen. Die meisten Menschen werden von so vielen Gedanken und Emotionen bewegt und können so wenige davon ausdrücken, weil niemand zuhört. Schon die Freunde hören nicht richtig zu, weil sie lieber trinken und lustig sein wollen. Die Ehefrau ist die Geschichten leid und die Kinder sehen in einem bereits eine verlorene Generation.

Sie haben jedes Jahr mehrere Wochen in dem Krankenhaus verbracht. Wie haben Sie sich auf die Zeit vorbereitet?
Ich joggte viel, in der Annahme, auch meine körperlichen Kräfte müssten voll da sein. Und ich bereitete mich psychisch vor, in dem ich mir vorstellte, welche Übel kommen könnten. 

Interessant.
Ich halte vom negativen Denken so viel wie vom positiven Denken. Wenn das Negative dann kommt – und es kam immer zur Sprache – war ich vorbereitet. Außerdem trank ich sehr viel Wasser. 

Weshalb?
Ich nehme an, dass das, was ich über Gespräche aufnehme, Moleküle in mir bildet, die sich im Körper ansetzen. Wenn ich Wasser in mich reinschütte, spüle ich diese Moleküle aus. In der Zeit im Krankenhaus trank ich täglich literweise Wasser – soviel kann ich im Normalzustand gar nicht aufnehmen. Ich nehme an, dass sich da etwas in meinem Körper bildete, das ausgeschwemmt werden musste. 

Jedem Menschen würde ich nach dieser Zeit jederzeit raten: Interessiere dich für andere Menschen, das bereichert dich.

Auch wenn ein Seelsorger vor allem zuhört, seine Arbeit ist dann doch auf Einordnung, Wegweisung oder Orientierung ausgelegt. Was unterscheidet die Arbeit eines philosophischen Seelsorgers von der eines Therapeuten?
Therapeuten müssen Muster im Sinn haben und das, was ihnen entgegenkommt, in diese Muster ordnen. So gelangen sie automatisch zu der Frage: Wie war das in Ihrer Kindheit? Diese Frage habe ich nie gestellt. Ich bin sehr wohl zur Einsicht gekommen, dass in der Kindheit viel verborgen liegt. Aber Menschen mögen es zumindest in den Gesprächen, die ich führte nicht, wenn es gleich um die Kindheit geht. Sie wollen in ihrem Denken ernst genommen werden. Eine häufige Frage war zum Beispiel: »Sagen Sie, Herr Philosoph, ich denke mir das folgendermaßen mit der Welt und dem Leben – sind das blöde Gedanken? Sie können das doch beurteilen!« Ich konnte dann sagen: »Heraklit hat sich so was auch schon gedacht.« Allein diese Antwort hebt die Menschen gedanklich an und nimmt Ihnen die Sorge, ihre Ideen seien Blödsinn. Viele sind Philosophen im Sinne von gründlichen Nachdenkern mit originellen Gedanken.

Wenn Sie auf die zehn Jahre zurückblicken: Was haben Sie selbst im Krankenhaus gelernt?
Jedem Menschen würde ich nach dieser Zeit jederzeit raten: Interessiere dich für andere Menschen, das bereichert dich. Wie Menschen denken und leben, wie sie scheitern und Erfolg haben – die Vielfalt ist riesig. Das wurde mir im Krankenhaus klar. Immer wieder fragte ich mich: Wie halten die Pfleger und Ärzte jeden Tag diese schwere Arbeit aus, die Schicksale? Ich glaube, es hat mit dem unglaublichen menschlichen Reichtum zu tun, der von den Menschen zurückkommt. 

Sie schreiben vom »Lebenselixier« derer, die im Krankenhaus arbeiten …
Das kann sich ein Mensch außerhalb nicht vorstellen: Wann und wo erlebst du so sehr, wie vielfältig menschliches Lebens ist? Das geht nur, wenn du an einem Ort bist, an den sie alle hinkommen, irgendwann. Ein Ort, an dem es um die Existenz geht.

Fotos: Gerald von Foris