Suche die reaktionsfreien Momente: Was ich aus Interviews gelernt habe
Auf dieser Webseite frage ich die Besten eines Faches nach ihrem Wissen und ihrer Weisheit. Aber auch viele Kollegen spüren hilfreiche Lehren über gelingende Arbeit auf.
Der Mentaltrainer Jürgen Höller sagt: Es hemmt uns, wenn wir nur „müssen“
Für die Welt sprach Julien Wolff mit dem Mentaltrainer Jürgen Höller über die Wirkung, die Fußballtrainer Jupp Heynckes auf die Mannschaft des FC Bayern zu haben scheint. Er sagt, dass Spieler und Mitarbeiter Rückhalt spüren sollten – und dass Trainer und Chefs dazu da sind, Druck zu nehmen:
F: Die Bayern-Spieler sehen als Grund für die Aufbruchsstimmung das Vertrauen, das Heynckes ihnen vermittelt. Wieso ist es auch für selbstbewusste Weltmeister wie Mats Hummels oder Thomas Müller so wichtig, den Rückhalt des Trainers zu spüren? A: Weil Vertrauen ganz entscheidend mit Loslassen zu tun hat. Wenn ich als Stürmer weiß, dass ich auch bei einem Fehlschuss den Rückhalt des Trainers habe, dann spüre ich in den entscheidenden Situationen weniger Druck. „Ich muss!“ – diese Worte hemmen uns Menschen oft. Wir kennen das zum Beispiel vor wichtigen Prüfungen oder Terminen, wenn wir uns abends im Bett vorbeten: „Du musst jetzt einschlafen, damit du morgen fit bist!“ Und dann passiert genau das Gegenteil. Heynckes schafft es, den Spielern zu vermitteln: „Du musst nicht – du kannst es ohnehin. Bei mir hast du auch mehrere Chancen.“ Gerade bei Torhütern ist das sehr wichtig, bei Elfmeterschützen ebenso.
Der Verleger Philipp Keel sagt: Uns fehlen die reaktionsfreien Momente
Für die FAZ sprach Sandra Kegel im Herbst 2017 mit Diogenes-Verleger Philipp Keel. Ein Interview, das haften bleibt. Keel macht sich Sorge um das Medium Buch, stellt zugleich aber heraus, was beim Lesen mit uns geschieht. Bücher sind aus seiner Sicht Alltagsbremsen:
F: Lesen und sich der aktiven Welt entziehen ist demnach ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können? A: Können? Ein Buch ist zeitraubend. Zeit, die keiner mehr hat. Man muss sich diese Zeit nehmen. Dabei sind wir, so meinen wir, gleichzeitig gezwungen, permanent auf alles, was um uns herum geschieht, zu reagieren. Das sind die Anforderungen heutiger Kommunikation. Das ist es, was uns so müde macht. Dabei vergessen wir, über das, was uns beschäftigt, eine Nacht zu schlafen, reaktionsfreie Momente im Leben fehlen. Hier hat das Buch seinen Platz, als Sinnbild der Entschleunigung. In einer Welt, in der man von uns vor allem erwartet, praktisch zu sein und zu funktionieren, ist das schwer.