Das Gute ist vorbereitet: Was ich aus aktuellen Interviews gelernt habe
Auf dieser Webseite frage ich die Besten eines Faches nach ihrem Wissen und ihrer Weisheit. Aber auch viele Kollegen spüren hilfreiche Lehren über gelingende Arbeit auf. Alle zwei Wochen trage ich sie an dieser Stelle zusammen
1. New York Times-Verleger Arthur Gregg Sulzberger sagt: Du kannst dein Unternehmen erst verändern, wenn du weißt, was sich nicht verändert
Für den Spiegel sprechen Isabell Hülsen und Marc Pitzke mit Arthur Gregg Sulzberger, seit einem Jahr Verleger der »New York Times«. Das Blatt beeindruckt Zeitungsmacher auf der ganzen Welt, weil es mehr und mehr Abonnenten gewinnt und sich Tag für Tag, im laufenden Betrieb, weiter und weiter digitalisiert. Sulzberger formuliert eine entscheidende Prämisse für diesen Umbau:
F: Wie vereint man die Traditionen einer so alten Institution mit dem Zwang, ständig alles neu zu erfinden? A: Das Wichtigste ist, ein tiefes Verständnis davon zu haben, was bleibt. Wenn alles ständig zur Disposition steht, kann man nicht erfolgreich sein. Dann reicht es, dass jemand jünger und hungriger ist, und man ist weg vom Fenster. Erst wenn Sie wissen, was sich nicht verändern wird, können Sie sich auf Veränderungen einlassen. F: Was ist bei der »New York Times« so heilig, dass es sich nicht verändern darf? A: Eine originelle Berichterstattung, Recherche vor Ort, ein Journalismus, der unabhängig ist, fair, integer und klug. Das ist die Grundlage und der Kern dessen, was wir tun. Was sich verändert, ist das Drumherum: wie wir diese Geschichten erzählen und sie zum Leben erwecken.
2. SAP-Chef Bill McDermott sagt: Wenn du Menschen gut behandelst, bekommst du mehr zurück, als du verlangt hast.
Für das Manager Magazin sprechen Eva Müller und Martin Noé mit Bill McDermott, Vorstandschef des Softwarekonzerns SAP. Der Amerikaner strahlt in jeder Antwort die US-typische Alles-ist-möglich-Haltung aus. Das fühlt sich immer wieder oberflächlich an –interessant ist es dann aber doch, wie prägend McDermotts erste Gründungserfahrung war:
F: Ob in Auftritten an Universitäten oder in Ihrer Autobiografie – Sie betonen immer wieder Ihre Lebensdevise: einfach machen. Beschreibt der Spruch „Just do it“ Ihre Führungsphilosophie? A: Meine Eltern waren Arbeiter und hatten wenig Geld. Deshalb habe ich als Teenager einen Laden eröffnet. Ich kannte den Namen jedes meiner Kunden. Ich wusste, was sie gern essen und trinken. Dass sie nach der Lohnzahlung am Freitag reich waren und sonntags pleite. Sie konnten bei mir anschreiben. Ich behandelte sie mit Würde und Respekt. Ich bin zutiefst überzeugt: Wenn du Menschen gut behandelst, bekommst du mehr zurück, als du verlangt hast. F: Erstes Erfolgsrezept für einen CEO: Du musst nett sein? A: Ja, aber er muss auch innovativ denken, Dinge ändern, Neues bieten. Den Kunden, aber auch den Mitarbeitern etwas geben, von dem sie nicht wussten, dass sie es überhaupt wollen. Etwas, das Spaß macht und ohne das sie nicht mehr auskommen. Für die wohlhabenderen Highschool-Kids, die damals immer in den 7-Eleven zwei Straßen weiter gingen, habe ich als 17-jähriger Geschäftsmann einen Raum mit Videospielen im Hinterzimmer eingerichtet. „Pac-Man“, kennen Sie das noch? Die Kids haben von da an nur noch bei mir geshoppt.
3. Bahlsen-Gesellschafterin Verena Bahlsen weiß: Generationenwechsel funktionieren nur durch ausdauernden Austausch
Für Capital spricht Horst von Buttlar mit Verena Bahlsen. Die 25-Jährige wurde vor fünf Jahren Gesellschafterin des Keks-Herstellers. Jetzt experimentiert sie mit einem eigenen Restaurant in Berlin und definiert ihre eigene Idee von Lebensmittelproduktion. Das Interview ist aufschlussreich für all jene, die vor einer Übergabe stehen. Vor allem diese Stelle:
F: Müssen die Veränderungen von unten oder von oben kommen? A: Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, Junior Brandmanager zu sein. Ich wurde im Alter von 20 Jahren Gesellschafter, damals haben wir Geschwister und mein Vater mithilfe von Coaches an mehreren Wochenenden daran gearbeitet, wie wir Kinder uns bei Bahlsen einbringen. Und ich habe einen Vater, der bei jeder bescheuerten Idee, die ich hatte, gesagt hat: „Lass uns darüber reden.“ Er nimmt mich ernst. F: Aber für ihn muss doch Ihr Denken wie eine Rebellion klingen. A: Er begleitet das mit Wohlwollen, auch wenn wir viel miteinander ringen. Ich war vor fünf Jahren noch viel radikaler. Ich wollte mich freischwimmen und meine Identität finden. Einmal saß ich mit meinem Vater in Hannover beim Italiener, und da hat er gesagt: „Verena, egal was passiert, wir müssen genug miteinander reden!“ Ich finde, Generationen müssen immer ein Stück gemeinsam gehen, einfach ein Unternehmen rüberschieben und nehmen reicht nicht.
4. Garderoben-Frau Annemarie Kleine sagt: Atme durch
Für die SZ spricht Philipp Crone mit Annemarie Kleine, seit 50 Jahren Garderobenfrau im Bayerischen Hof. Der Austausch ist unterhaltsam, es geht um Anekdotisches, um aufdringliche Parfums und prominente Gäste. Es geht aber auch um streitfreudige Gäste. Frau Kleine hat ein Rezept für den richtigen Umgang mit dieser Klientel – es klingt schlüssig und stimmt doch traurig:
F: Was machen Sie, wenn sich jemand beschwert? Wenn es Ihnen zu viel wird? A: Dann sage ich: „Eine Minute bitte, ich komme gleich“, und gehe durch den kleinen Durchgang in die Garderobe, setze mich kurz ums Eck auf einen Stuhl und atme durch. Ich diskutiere nie mit den Gästen, weil ich dabei unten durchfallen würde.
5. Schwimmweltmeisterin Sandra Völker sagt: Du musst dein Warum kennen
Für die Welt am Sonntag spricht Melanie Haack mit der einstigen Schwimmweltmeisterin Sandra Völker. Sie geriet nach dem Ende ihrer Karriere in finanzielle Schwierigkeiten, investierte in zu teure Immobilien, in eine Schwimmschule, in eine Stiftung. Völker rutschte in die Privatinsolvenz und bezog Hartz IV. Heute erzählt sie in Vorträgen von ihrer Lebensreise und deutet an, wie Veränderung gelingt:
A: Natürlich geht es nicht von heute auf morgen, wenn ich wirklich etwas ändern will. Wir müssen unsere alten Gewohnheiten ändern und unsere Komfortzone verlassen. Selbst erkennen, woran es hakt. Die Fragen ehrlich beantworten: Was will ich? Wo will ich hin? Was ist mein Warum, um eine Veränderung zu beginnen? Wenn ich das nicht weiß, kann ich nicht starten.
6. Coach Stefan Wachtel sagt: Das Gute ist vorbereitet, schon immer
Für die FAZ trifft Georg Meck den Coach Stefan Wachtel, der Managern die Kunst des wirksamen Auftritts nahebringt. Mindestens für den Laien ist interessant, wie kräftig Wachtel die Annahme in die Tonne tritt, Menschen wie Barack Obama seien einfach von Natur aus geborene Redner und Öffentlichkeitsmenschen. Von wegen:
F: Vielleicht fehlte es ihnen schlicht am Charisma. Ein Barack Obama strahlt auch ohne Coach. A: Ein wunderbares Beispiel! Glauben Sie etwa, der war nicht gecoacht? Ich war zweimal bei seinem Coach in dessen Trainingsraum in Washington, 21. Straße. Als ich herein kam, sagten seine Leute: „Hast du ihn gestern auf der Pressekonferenz gesehen? Barack redet schon wieder in viel zu langen Sätzen, er war länger nicht hier. Übernächste Woche kommt er wieder.“ Schauen wir den authentischen Obama an: ein sperriger Intellektueller, kompliziert, ein rechthaberischer Jurist, der zu langsätzig spricht, zu schnell – und dabei noch nuschelt! Angesichts dieser Eckdaten hätte jeder gesagt: Das kann nichts werden. (…) F: Nicht nur die Art des Auftritts wird einstudiert, auch die Inhalte werden vorher dafür zurechtgelegt? A: Das ist seit 2500 Jahren so. Schon in der Antike wäre niemand auf die Idee gekommen zu raten: Sei authentisch, stell dich mal auf den Berg und dann erzählst du, was dir gerade einfällt. Das Gute ist gut vorbereitet, schon immer. F: Wenn alle trainiert werden, warum erleben wir dann trotzdem so viele Langweiler und so wenige Obamas? A: Weil es Menschen gibt, die nicht gern lernen. Erstens. Und weil, zweitens, manche schlechte Berater um sich haben. Beide, Berater wie Klient, verharren dann im Maschinenraum, kennen jede Schraube und erzählen dann auch noch davon. Die kommen nie in den „Executive-Modus“. Das Publikum will aber keine Details, sondern Rede und Antwort mit Flughöhe. Man braucht nicht irgendeinen Text. Der Mann oder die Frau auf der Bühne braucht einen Spruch.
7. Mathematiker Michael Rapoport sagt: Unser Motor ist es, etwas Originelles zu entdecken
Für den Spiegel unterhält sich Manfred Dworschak mit dem Bonner Mathematiker Michael Rapoport. Super Gespräch. Rapoport erzählt unter anderem von einem Kollegen, der um 17 Uhr ins Bett geht, damit er ab 2 Uhr nachts in Frieden denken kann. Und dann kommt diese Stelle hier, die womöglich nicht nur für Mathematiker gilt:
F: Ist es nicht erstaunlich, dass selbst so entlegene Theorien irgendwann in der Praxis zu gebrauchen sind? A: Das ist aber nicht das, was mich motiviert. Ich halte es eher mit Carl Gustav Jacob Jacobi, einem großen Mathematiker des 19. Jahrhunderts. Von ihm stammt der Satz, das einzige Ziel der Wissenschaft sei »die Ehre des menschlichen Geistes«. Unser stärkster Motor ist es nun einmal, etwas Originelles zu entdecken. Und wenn ein Fund sich auch noch als wichtig und grundlegend erweist, wird es eines Tages Anwendungen dafür geben. Es wäre aber verkehrt, wenn wir unsere Arbeit damit rechtfertigen müssten.
8. Stil-Expertin Doris Märtin sagt: Richten Sie Ihre Ambitionen nicht nach ihrem Umfeld aus
Für den stern reist Norbert Höfler zur Augsburger Stil- und Benimm-Fachfrau Doris Märtin, die erzählt, wie sich die Oberschicht und die Mittelschicht immer mehr ähneln. Am Ende des Austauschs gibt sie einen allfälligen aber doch wiederholenswerten Rat: Besonderes entsteht nur dort, wo Menschen ihr Umfeld hinter sich lassen.
A: Eine große Gefahr ist die amour fati, die Selbstbescheidung. Der Soziologe Pierre Bourdieu hat den Begriff geprägt. Gemeint ist damit die Hingabe ans Schicksal. Sie kann uns ausbremsen. Damit das nicht passiert, möchte ich dazu ermutigen: Richten Sie die eigenen Ambitionen nicht danach aus, was andere in Ihrem Umfeld erreichen. Man darf über sich hinauswachsen wollen. Nur wer abhebt, kann fliegen.
9. Bürgermeister Josef Wirges sagt: Nur wer zuhört, kann verständlich antworten
Für die Süddeutsche Zeitung begegnet Christian Wernicke dem Köln-Ehrenfelder Bürgermeister Josef Wirges, der seine Kollegen darum bittet, klar und knapp zu sprechen. Vor allem aber rät er: Hinhören!
A: Viele Politiker sind vielleicht zu sehr Fachpolitiker. Das Problem haben wir bei anderen Experten auch: Die müssen alle lernen zu vereinfachen, ohne zu verfälschen. Nicht jeder hat das Talent, aber eigentlich kann das jeder lernen. Und manche müssen wieder lernen zuzuhören. Die spulen nur noch automatisch ihren Text ab. Nein, du musst hinhören! Mir fällt das auch schwer, gerade im Umgang mit der Rechten. Ich muss deren Ängste ernst nehmen, egal ob ich sie für objektiv berechtigt halte oder nicht. Und ich darf jemanden, der sich nicht so gehoben ausdrücken kann, nicht unterbrechen oder korrigieren. Ich muss mich zwingen zuzuhören, damit ich verstehe. Viele sogenannte Abgehängte sind für mich eher Ungehörte. Nur wenn ich zuhöre, kann ich verständlich antworten.
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