Künstlerin Ayaka Terajima über ihre Arbeit: »Das Warum ist wichtiger als das Was«
Sie studierte Keramik an der Tokyo University of Arts und Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste: Die japanische Künstlerin Ayaka Terajima entwirft und formt Tonskulpturen, die von Werken aus der prähistorischen Jōmon-Zeit inspiriert sind. Sie erinnern mal an Maya-Statuen, mal an knubbelige Wesen aus der Zukunft. Der Trick: Ayaka Terajima nutzt Plastikverpackungen als Gussformen. 2023 erwarb die Pinakothek der Moderne ihr Objekt »Doki on the three days«. Ein Interview.
Fotos: Gerald von Foris | Lesezeit: 3 Minuten
»Doki on the three days«, Pinakothek der Moderne, aktuell in der Ausstellung »100 Jahre – 100 Objekte« (Foto: Pinakothek der Moderne)
Frau Terajima, wir treffen uns in Ihrem Atelier in München-Giesing. Ich sehe zwei Brennöfen, fertige Skulpturen und Plastikverpackungen. Können Sie Ihre Arbeitsweise beschreiben?
Was Sie sehen, beschreibt es schon: Ich arbeite mit Ton und gestalte Skulpturen, die ich mithilfe von Plastikverpackungen in Form bringe.
Welche Verpackungen zum Beispiel?
Verpackungen, in denen für gewöhnlich im Supermarkt Obst, Süßigkeiten oder auch Batterien oder Eier transportiert und verkauft werden. Diese Behälter dienen mir als Formen für den Ton. Die gebrannten Werkstücke setze ich dann zum Beispiel zu Figuren zusammen, die ich Dokis nenne.
Was sind Dokis?
Der Begriff Doki stammt aus dem Japanischen und bezeichnet unglasierte Keramikgefäße, wie sie in der Jōmon-Zeit, viele Jahrtausende vor Christus, hergestellt wurden. Die Menschen formten und brannten damals Werkstücke mit vielen Reliefs, wobei sie sich an natürlichen Materialien wie Tierknochen, Muscheln oder Blättern orientierten. Deshalb werden Keramiken aus der Jōmon-Zeit als »Jōmon-Doki« bezeichnet. Ich persönlich verwende den Begriff in einem weiteren Sinne und bezeichne sowohl meine Keramikgefäße als auch meine Skulpturen als »Dokis«.
Das heißt, Sie greifen diese Arbeitsweise auf, indem Sie Ihre Figuren auch mit Materialien aus der Gegenwart versehen?
Ja. Mich interessiert an den Verpackungen aber auch der logistische Aspekt: Logistik ordnet Zeit und Raum. Die Verpackungen, mit denen ich arbeite, sind Teil einer logistischen Kette, in der Dinge fassbar, verkaufbar, konsumierbar gemacht werden. Immer wieder neu. Das ist die Verbindung mit den Jōmon-Töpferwaren: Sie waren auch inspiriert von vergänglichen Dingen. Sie dienten unter anderem dazu, den Regen aufzufangen, der angeblich vom Mond kam. Der Mond war eine Zeit lang ein Symbol für die Wiedergeburt alles Lebendigen.
Ayaka Terajima in ihrer Werkstatt
Verpackungen, die als Formen für den Ton dienen
Werkstücke und neue Arbeiten mit Ölpastell auf Werbeflyern
Ihre Figuren erinnern auch an Astronauten oder an phantastische Wesen aus dem All.
Manchmal lasse ich mich von Science-Fiction-Werken wie »Dune« or »Star Wars« inspirieren. Figuren der Zukunft erinnern uns an Figuren der Vergangenheit. Kultur und Zivilisation wiederholen sich. Deshalb wirken sehr alte Dinge manchmal sehr modern.
Wann ist eine Skulptur gut?
Wenn sie in Balance ist.
Und woran erkennen Sie die Balance?
Ich sehe es jedes Mal, wie von allein, ganz plötzlich: Jetzt! Jetzt darf nichts mehr hinzu. Jetzt ist es in Balance.
Mit welchem Ton arbeiten Sie?
Angefangen habe ich im Studium an der Akademie mit ganz normalem, gekauftem Ton. Aber der war mir zu pur, zu einfach. Ich suchte natürlichere Farbtöne. Also sammelte ich in der Keramikwerkstatt der Kunstakademie aus dem Container die Tonreste, die andere weggeworfen hatten. Diese Reste habe ich verknetet und wiederverwendet. Der Ton sieht so immer anders aus, naturgemäß. Eben wiederverwendet, recycled.
»Schau in dich rein: Was fühlst du? Wo zieht es dich hin? Es ist nicht wichtig, woran du arbeitest. Es ist wichtig zu wissen, was du sagen willst«
Was haben Sie an der Akademie der Künste gelernt?
Professorin Nicole Wermers übernahm unsere Skulpturenklasse und sie war für mich eine sehr gute Lehrerin, sehr tough und direkt. Bevor ich sie kennenlernte, fiel es mir sehr schwer, meine Gefühle und meine Gedanken zu erklären, überhaupt zu erkennen und zu benennen. Aber Nicole wollte über alles reden, sie wollte immer wieder über meine Arbeit diskutieren. Sie brachte mir bei, meine Gefühle zu formulieren und in meine Werkstücke einfließen zu lassen. Sie war wie frische Luft für mich.
Was würden Sie Ihren Schülerinnen und Schülern in Zukunft beibringen wollen?
Schau in dich rein: Was spürst du? Wo zieht es dich hin? Es ist nicht wichtig, woran du arbeitest, an was. Es ist wichtig zu wissen, was du willst, was du sagen willst – warum du an etwas arbeitest.

Links: Ayaka Terajimas Website und ihr Instagram-Account
Nächste Ausstellung: Ab dem 8. November 2025 stellt Terajima gemeinsam mit anderen im Glaspalast Augsburg aus, Eröffnung am 7. November um 19 Uhr. Mehr dazu hier.
